Philharmonische Kammermusik: Faszination der Klarinette
Die Musikwelt ist dem Klarinettisten Anton Stadler zu großem Dank verpflichtet. Immerhin inspirierte er Mozart zu einem Klarinettenquintett, das zum Schönsten der Kammermusik gehört. Wolfgang Rihm, in dieser Saison Composer in Residence, schrieb seine Vier Studien zu einem Klarinettenquintett für den Klarinettisten und Komponisten Jörg Widmann. Rihm habe – so Widmann – »das Wesen unseres Wunderinstrumentes begriffen und erspürt wie nur ganz wenige«.
Die Klarinette wird auch deshalb mit Mozart assoziiert, weil er das damals noch relativ junge Instrument im Orchester etablierte und – Stadler sei Dank – mit dem Klarinettenquintett und -konzert zwei unübertreffliche Werke ihrer Art komponierte. Die Grundstimmung des Quintetts ist bei moderaten Tempi von einer Ruhe und Reife des Ausdrucks geprägt, zu der die Musik auch nach Ausflügen in die Melancholie oder Heiterkeit immer wieder zurückkehrt. Die fallende Linie der Streicher, mit der das Werk beginnt, dient auch als motivische Keimzelle des Scherzos und Finales. Der langsame Satz, der eng mit dem zweiten des später entstandenen Klarinettenkonzerts verwandt ist, lässt das Soloinstrument über gedämpften Streichern eine von großem Atem getragene Arie singen. In den Variationen des Finales darf jede Stimme solistisch hervortreten. Vor den beschwingten Ausklang hat Mozart eine Adagio-Variation von geradezu meditativer Anmutung gesetzt.
Wie Mozart durch Stadler wurde auch Wolfgang Rihm durch einen Virtuosen auf die spieltechnischen Möglichkeiten und die Ausdruckskraft der Klarinette aufmerksam: Für seinen ehemaligen Kompositionsstudenten und Klarinettenvirtuosen Jörg Widmann hat er, beginnend mit der 1999 veröffentlichten Musik für Klarinette und Orchester, nahezu 20 Werke geschrieben. Kürzlich erinnerte sich Widmann in einem Interview, wie sehr Rihm seine Schülerinnen und Schüler zum Eigensinn ermutigt habe. Die technisch anspruchsvollen Vier Studien zu einem Klarinettenquintett, die Widmann und das Minguet Quartett 2003 zur Uraufführung brachten, entfalten ein emotionales Spektrum, das von Lyrik und Zartheit bis zu radikaler Expressivität reicht.
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