Viertes Konzert des Brahms/Schumann-Zyklus mit Simon Rattle
Die vierten Symphonien von Brahms und Schumann verkörpern aufregend gegensätzliche Welten. Auf der einen Seite Brahms’ souveränes, unerbittlich voranschreitendes Spätwerk, auf der anderen die übersprudelnde Symphonie des jungen Schumann – hier zu hören in einer Frühfassung, die für Simon Rattle der etablierten Spätfassung überlegen ist.
Bereits in der zweiten Hälfte der 1850er-Jahre hatte Johannes Brahms an der Publikation der nachgelassenen Werke Robert Schumanns mitgewirkt. Dabei setzte er sich im Fall der d-Moll-Symphonie für die Urfassung ein – die 1841 komponierte und uraufgeführte Symphonie hatte Schumann zehn Jahre später einer grundlegenden Revision unterzogen und als Nr. 4 drucken lassen. Brahms bevorzugte die erste Version, vor allem wegen ihres transparenteren Klangbildes, und veranlasste – sehr zum Unmut von Schumanns Witwe Clara – eine separate Ausgabe jener Komposition, die sich unter anderem in der Instrumentation, durch schnellere Tempi und die knappere Final-Introduktion von der späteren Fassung unterscheidet. Auch Sir Simon Rattle hat sich zum Abschluss des philharmonischen Schumann-Brahms-Zyklus für die selten zu hörende Erstfassung der d-Moll-Symphonie entschieden. Sein Votum für die frühe Fassung des Werks begründet Sir Simon damit, dass Schumann 1851 zwar »grundsätzlich exakt dasselbe Material verwendet, dieselben Noten«, dabei aber »eine Symphonie voller Leichtigkeit, Anmut und Schönheit in eine Symphonie aus Finsternis, Wahn und Zwang verwandelt«.
Anschließend steht mit Brahms’ 1884/85 entstandener Vierter ein Werk auf dem Programm, über das Hans von Bülow noch vor der Premiere an seinen Berliner Konzertagenten Hermann Wolff begeistert berichtete: »Nr. 4 riesig, ganz eigenartig, ganz neu, eherne Individualität. Atmet beispiellose Energie von a bis z.« Joseph Joachim notierte anlässlich der Berliner Erstaufführung am 1. Februar 1886: »Der geradezu packende Zug des Ganzen, die Dichtigkeit der Erfindung, das wunderbar verschlungene Wachstum der Motive noch mehr als der Reichtum und die Schönheit einzelner Stellen, haben mir’s geradezu angetan, so daß ich fast glaube, die e-moll ist mein Liebling unter den vier Symphonien.«
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