Simon Rattle dirigiert Nielsen und Schönberg
Der berühmte Mord unter der Dusche in Hitchcocks Psycho wäre nur halb so unheimlich ohne Bernard Herrmanns Filmmusik mit ihren quietschenden Streichern – eine späte Blüte des musikalischen Expressionismus. Als frühe Schöpfungen dieses Stils voll erschütternder Intensität dirigiert Sir Simon Rattle außerdem Arnold Schönbergs Die glückliche Hand und Carl Nielsens Vierte Symphonie, in der der Komponist den »elementaren Willen zum Leben« in Musik fasst.
Der Hitchcock-Thriller Psycho gehört zu den Klassikern des amerikanischen Kinos. Erzählt wird die Geschichte des von Anthony Perkins gespielten psychopatischen Serienmörders Norman Bates, der ein abgelegenes Motel betreibt und allein mit seiner Mutter in einer viktorianischen Villa in direkter Nachbarschaft lebt. Für die Filmmusik sorgte Bernard Herrmann, der neben Erich Wolfgang Korngold und Franz Waxman zu den erfolgreichsten Hollywood-Komponisten seiner Zeit gehörte: Die quietschenden Streicherglissandi mit Gänsehautgarantie, die den berühmten Mord in der Dusche begleiten (The Murder), wurden zum oft kopierten Topos filmmusikalischer Schreckensdarstellung.
Sir Simon Rattle hat Herrmanns Psycho-Suite for Strings aufs Programm gesetzt, der die Musik zu Arnold Schönbergs expressionistischem Bühnenwerk Die glückliche Hand folgt. Der von der »Logik des Traums« bestimmte Einakter (Kurt Blaukopf) beschäftigt sich mit dem (vergeblichen) Versuch des Künstlers, das Spirituell-Schöpferische in einer verständnislosen, materiellen Welt zu etablieren. Die Musik voller Spontaneität und Prägnanz korrespondiert in bildhaft-assoziativer Weise mit dem Text – inklusive ostinater Klangfelder und »Farbencrescendo« sowie mit ständig wechselnden Melodien und immer neuen harmonischen Ideen.
Nach Schönbergs expressionistischem Traumprotokoll, in dem sich der Künstler (gesungen vom Bassbariton Florian Boesch) dem Gelächter einer unsichtbaren Menge preisgibt, erklingt Carl Nielsens vielfarbig-schillernde Pastorale Pan und Syrinx sowie dessen Vierte Symphonie Das Unauslöschliche – Nielsens expressionistischer Beitrag zur europäischen Moderne, in dem der Komponist während der Katastrophe des Ersten Weltkriegs »den elementaren Willen zum Leben« in Musik fasste. Die humanistische Botschaft des Werks wurde schon bei der erfolgreichen Premiere verstanden – nicht zuletzt durch das Finale, in dem ein vor dem Orchester postiertes zweites Paar Pauken sich mit dem anderen Paukenpaar wilde Duelle liefert, bevor die Musik in strahlendem E-Dur ausklingt.
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