Tugan Sokhiev und Jean-Yves Thibaudet
Wenngleich französische Musik oft recht fragil daherkommt, gibt es auch kraftvolle Gegenbeispiele. So verbreiten César Francks Symphonie d-Moll und Gabriel Faurés Pélleas et Mélisande neben französischem Flair auch einen beethovenschen Formwillen. Maurice Ravel wiederum schlägt im Finale seines Klavierkonzerts G-Dur einen knackig-jazzigen Ton an, wie man ihn eher von Gershwin erwarten würde. Tugan Sokhiev dirigiert; am Klavier gastiert Jean-Yves Thibaudet.
»Unglücklicherweise«, sagt Tugan Sokhiev, »werden Dirigenten mit Klischees überhäuft, nicht nur wir russischen. Italienische Dirigenten sollen zunächst mal italienisches Repertoire dirigieren können, deutsche Dirigenten deutsche Stücke. Warum eigentlich? […] Wenn ich etwas Besonderes zu russischer Musik zu sagen habe, dann aufgrund meiner sehr tiefen Beziehungen zu einem bestimmten Stück. Aber ich kann zu einem Brahms oder Strauss vielleicht genauso viel sagen.« Und zu Werken des französischen Repertoires, mit denen Tugan Sokhiev bei den Berliner Philharmonikern zu Gast ist!
Auf dem Programm steht Gabriel Faurés Pelléas et Mélisande – eine 1898 entstandene Orchestersuite aus der Bühnenmusik zu Maurice Maeterlincks gleichnamigem symbolistischen Drama, deren modale Harmonik der Archaik der Handlung voll und ganz entspricht. Seine endgültige Gestalt erhielt die Suite allerdings erst rund 20 Jahre nach ihrer Entstehung, da sie Fauré um die in der Schauspielmusik an fünfter Stelle stehende Sicilienne erweiterte. In dieser Form avancierte Pelléas et Mélisande zu einem der meistgespielten Fauré-Stücke, wobei die ursprüngliche Schauspielmusik auch weiterhin für Aufführungen des Dramas Verwendung findet.
Außerdem widmet sich in diesem Konzerte Jean-Yves Thibaudet, »surely the coolest pianist on the planet« (The Herald), Maurice Ravels G-Dur-Klavierkonzert – einer vor Esprit nur so sprühenden Musik, in der flirrende Klangkaskaden, »verschnupfte Einwürfe des Jazz« (Alexis Roland-Manuel), synkopische Akzente und dreinfahrende Fanfarenklänge in pulsierender Bewegung durcheinanderwirbeln. Nach der Pause präsentiert Tugan Sokhiev seine Lesart von César Francks d-Moll-Symphonie, in deren Kopfsatz der französische Komponist seine Hörer mit einer zwischen d-Moll und f-Moll changierenden »doppelten Tonalität« aufs harmonische Glatteis führt, in der langsamer Satz und Scherzo zu einem einzigen Allegretto verschmolzen werden und deren Finale im Sinne der französischen »forme cyclique« reprisenartig die in den vorherigen Sätzen exponierten Themen wieder aufgreift.
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