Tugan Sokhiev dirigiert Rachmaninow, Borodin und Prokofjew
In diesem Konzert dirigiert Tugan Sokhiev, Leiter des Moskauer Bolschoi-Theaters, ein russisches Programm – unterstützt vom Chor seines legendären Opernhauses. Von archaischer Durchschlagskraft sind Alexander Borodins Polowetzer Tänze und Sergej Prokofjews Kantate Alexander Newski. Während in diesen Werken historische russische Kriegshelden besungen werden, thematisiert Sergej Rachmaninows opernhafte Szene Der Frühling ein intimes Seelendrama.
Seine heute berühmten Polowetzer Tänze konzipierte Alexander Borodin als Tanz- und Chorszene für seine unvollendet gebliebene Oper Fürst Igor. Borodin, der im Hauptberuf ein erfolgreicher Chemiker war, gehörte zum Komponistenkreis des sogenannten »Mächtigen Häufleins«, der danach strebte, sich von den Vorbildern der westeuropäischen Musik zu distanzieren und einen eigenen russischen Nationalstil zu etablieren. Der Stoff von Borodins Oper basiert auf dem mittelalterlichen Igorlied und handelt von den kriegerischen Auseinandersetzungen der von Fürst Igor angeführten Russen und dem Volk der Polowetzer. Mit seinen Polowetzer Tänzen, in denen orientalische Einflüsse unüberhörbar sind, schuf der Komponist eine eindrucksvolle Szene, die im nächtlichen Kriegslagerspielt: Zart, einschmeichelnd, fast überirdisch schön beginnen die Frauenstimmen, archaisch-kämpferisch gesellen sich die Männer dazu, um sich schließlich in einem ekstatischen Schlussgesang zu vereinen.
In Sergej Prokofjews Kantate op. 78 steht ebenfalls ein russischer Nationalheld des Mittelalters im Fokus: Alexander Newski, der im 13. Jahrhundert in der legendären Schlacht auf dem zugefrorenen Peipussee mit seinem Heer den entscheidenden Sieg über die deutschen Ordensritter errungen hat. Prokofjew hatte die Musik 1938 ursprünglich für den Historienstreifen Alexander Newski des Regisseurs Sergej Eisenstein komponiert. Nach Abschluss der Dreharbeiten transformierte er die Filmmusik in eine siebensätzige Kantate, die die wichtigsten Stationen der Filmhandlung nachzeichnet, vor allem die berühmte Schlacht auf dem vereisten See. Sie gilt als Schlüsselszene des gesamten Werks.
Ein sehr privates Drama verhandelt dagegen Sergej Rachmaninows Kantate Der Frühling. Sie schildert die schmerzvollen Gefühle eines betrogenen Ehemanns, der während der dunklen Wintermonate auf Rache sinnt und seine untreue Gattin erschlagen möchte. Der beginnende Frühling stimmt ihn jedoch milde, und er verzeiht seiner Frau. Rachmaninow, der gerade mit therapeutischer Hilfe eine schwere Schaffenskrise überwunden hatte und darüber hinaus frisch verheiratet war, schuf in diesem opernhaften Werk ein eindrucksvolles musikalisches Panorama menschlicher Stimmungen und Emotionen.
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