Simon Rattle dirigiert »Parsifal«
Eine funkelnde, geradezu narkotisierende Musik von unvergleichlicher Sogkraft prägt Richard Wagners Parsifal, der einmal mehr um Wagners metaphysisches Lebensthema der Erlösung kreist. Simon Rattle dirigierte das Werk 2018 in einer hochkarätig besetzten Aufführung u. a. mit Stuart Skelton und Nina Stemme. Das Publikum reagierte begeistert, und auch die Presse rühmte diesen »schimmernden, schillernden, glänzenden Parsifal für das 21. Jahrhundert.«
»Im Parsifal, dem letzten Kraftakt eines Genies, vor dem man sich verbeugen muss, versuchte Wagner, der Musik weniger Zwang anzutun; hier atmet sie freier. [...] Nirgends erreicht die Musik Wagners eine so heitere Schönheit wie im Vorspiel zum dritten Akt des Parsifal und im ganzen ›Karfreitagszauber‹.« Claude Debussy, der diese Zeilen 1903 schrieb, hatte in den Jahren 1888 und 1889 die Bayreuther Festspiele besucht und war in einer Art Hassliebe zu Wagner entbrannt. Den bahnbrechenden harmonischen Neuerungen des Tristan und den »leuchtenden Schönheiten des Rings« etwa zollte er höchsten Respekt; andererseits stieß er sich daran, dass Wagners Musik auf nicht weniger abziele als die »vollständige Inbeschlagnahme« ihrer Hörer und mokierte sich über die »deutsche Sucht [...], in einem fort auf denselben intellektuellen Nagel zu klopfen, aus Furcht, man könnte nicht verstanden werden«.
Dass Debussy ausgerechnet Parsifal eine »heitere Schönheit« attestierte, mag zunächst verwundern. Schließlich hat das von Wagner als »Bühnenweihfestspiel« bezeichnete Werk, das in einem kunstreligiösen Kraftakt Arthur Schopenhauers Rezeption buddhistischer Lehren mit dem Erlösungsgedanken des Christentums amalgamiert, selbst eingefleischten Wagnerianern schon immer Rätsel aufgegeben. Nach seinen Interpretationen der vier Teile des Rings sowie des Tristan in den vergangenen Jahren, darf man in dieser Saison gespannt sein, wie sich Sir Simon Rattle Wagners Opus ultimum nähern wird.
Nach drei Aufführungen des Parsifal bei den Osterfestspielen in Baden-Baden in der Regie von Dieter Dorn, wird an zwei Abenden nun die Philharmonie zum Ort des »Bühnenweihfestspiels«. In den konzertanten Aufführungen, in denen die Berliner Philharmoniker unter der Leitung ihres Chefdirigenten vom Rundfunkchor Berlin unterstützt werden, liegt die Darstellung der Titelpartie in den Händen des australischen Tenors Stuart Skelton, der schon als Tristan mit Rattle zusammengearbeitet hat. Die Schwedin Nina Stemme, die in die Rolle der zur ewigen Verführerin verfluchten Kundry schlüpft, gehört seit Jahren zu den großen Sopranstimmen im Wagner-Fach. Wie sie hat auch Franz-Josef Selig, der die kräftezehrende Partie des weisen Gralsritters Gurnemanz übernimmt, Bayreuth-Erfahrung. Mit Gerald Finley als an einer unheilbaren Wunde leidendem Gralskönig Amfortas und Evgeny Nikitin als Ränke schmiedendem Zauberer Klingsor (Debussy: »Er ist wunderbar in seinem grollenden Hass ...«) sind auch die anderen Rollen prominent besetzt.
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