Teodor Currentzis’ Debüt mit Verdis Requiem
Die Kritik war begeistert: Hochspannung wie in einem Psychothriller habe geherrscht, als Teodor Currentzis Verdis Requiem im April in der Elbphilharmonie dirigierte. Auch bei Currentzis’ Debüt bei den Berliner Philharmonikern ist das Werk nun zu erleben. Verdi schildert hier die existenziellen Erschütterungen eines Menschen im Angesicht des Todes. Und indem er seine gesamte Erfahrung als Opernkomponist mobilisiert, schafft er eine einzigartige Verschmelzung von Liturgie und menschlicher Emotion.
»Er inszeniert das Stück als Psychothriller«, hieß es in einer Kritik des NDR nach der Aufführung von Giuseppe Verdis Messa da Requiem durch Teodor Currentzis. Im Frühjahr 2019 tourten der griechische Dirigent und sein Ensemble musicAeterna of Perm Opera durch Europa und begeisterten mit ihrer intensiven, mitreißenden und anrührenden Interpretation von Verdis Totenmesse. Nun gibt Currentzis, der bereits zweimal auf Einladung der Stiftung Berliner Philharmoniker mit musicAeterna im Kammermusiksaal und der Philharmonie zu erleben war, mit diesem Werk sein Debüt bei den Berliner Philharmonikern. Verdis Requiem wird allgemein gerne als die »beste Oper« des italienischen Komponisten bezeichnet. Currentzis hat dazu eine ganz andere Haltung: »Mir ist wichtig: Das Verdi-Requiem ist sakrale, ja heilige Musik. Das hat mit Gott zu tun. Wenn Verdi sich als Agnostiker gibt, führt er uns in die Irre«, meint der Dirigent in einem Interview, das er im Rahmen seiner Requiem-Tournee gab.
Der Tod des großen italienischen Schriftstellers Alessandro Manzoni, den Verdi sehr bewunderte und verehrte, im Jahr 1873 war der Anlass für die Entstehung des Stücks. Den letzten Satz »Libera me« gab es bereits. Verdi hatte ihn fünf Jahre zuvor geschrieben, nachdem Gioacchino Rossini gestorben war und er führende Komponisten Italiens aufgerufen hatte, gemeinsam ein Requiem-Pasticcio für ihn zu verfassen. Obwohl alle Kollegen seinem Aufruf folgten und ihren Beitrag leisteten, scheiterte seine Initiative an dem Kleinmut der lokalen Behörden. Verdi griff später den von ihm komponierten Satz auf und integrierte ihn mit Abwandlungen in das neue Werk. Zusammen mit dem apokalyptisch gestalteten »Dies irae«, der liturgischen Totensequenz, in dem der Komponist mit Pauken und Trompeten den Aufruhr des Jüngsten Gerichts beschwört, bildet das »Libera me« die musikalischen Eckpfeiler des Requiems. Verdi schildert in ihm die existenziellen Erschütterungen eines Menschen im Angesicht des Todes. Er wirft seine gesamte Erfahrung als Opernkomponist in die Waagschale und schafft eine musikalisch wie dramaturgisch geniale Komposition, die den Hörer durch viele Emotionen führt: Angst, Schrecken, Verzweiflung, Trauer, Demut, Hoffnung auf Erlösung ... Verdi setzt auf Kontraste: Archaik und Expression, Liturgie und Oper, Kontemplation und Tumult – und schuf dadurch ein Werk voller Wucht, Intensität und Dramatik. Die plötzlichen Wechsel in Dynamik, Tempo, Klangfarbe und Stimmung machen Verdis Totenmesse zu einem der herausforderndsten und gleichzeitig schönsten Chorwerke des 19. Jahrhunderts.
© 2019 Berlin Phil Media GmbH
Interviews zum Konzert
Künstler*innen
Unsere Empfehlungen
- Michael Barenboim debütiert bei den Berliner Philharmonikern
- Simon Rattle dirigiert Schumann und Fauré
- Riccardo Chailly dirigiert Bruckners Sechste Symphonie
- Kirill Petrenko dirigiert Beethoven und Elgar
- Matthias Pintscher dirigiert Ligeti, Zimmermann und Martinů
- Kirill Petrenko dirigiert Mozart und Tschaikowsky