Jakub Hrůša präsentiert symphonische Dramen und eine Entdeckung
Jakub Hrůša präsentiert drei abgründige Geschichten in mitreißenden Vertonungen. Wir erleben Shakespeares Othello in der zupackenden Tonsprache von Antonín Dvořák, werden Zeuge der letzten Augenblicke der Kleopatra in Hector Berlioz’ gleichnamigem Seelendrama (Solistin: Stéphanie d’Oustrac), und Béla Bartók schildert mit brutaler Energie die düstere Geschichte vom Wunderbaren Mandarin. Eine Entdeckung ist zudem die unerbittlich voranschreitende Passacaglia Mysterium der Zeit von Miloslav Kabeláč.
Bei seinem philharmonischen Debüt im Oktober 2018 erwies sich Jakub Hrůša als begnadeter Geschichtenerzähler: Mit der Aufführung u. a. von Antonín Dvořáks Tondichtung Das goldene Spinnrad stellte er die musikalische Version eines der bekanntesten tschechischen Märchen vor. Nun kehrt der Chefdirigent der Bamberger Symphoniker zum zweiten Mal ans Pult der Berliner Philharmoniker zurück und hat wieder eine mitreißende Tondichtung des tschechischen Komponisten auf das Programm gesetzt: die Konzertouvertüre Othello, die von William Shakespeares gleichnamigen Drama inspiriert ist und eine der destruktivsten Seiten des menschlichen Seins behandelt: Eifersucht, Rachedurst, Wut, zudem auch Liebe, Verzweiflung, Schmerz, und schließlich Reue – Dvořák führt den Titelhelden durch ein weitgespanntes emotionales Spektrum.
Auch Hector Berlioz weiß extreme Seelenlagen wirkungsvoll in Musik zu setzen. In seiner Scène lyrique Cléopâtre geht es um die letzten Augenblicke der ägyptischen Königin vor ihrem Freitod durch einen Schlangenbiss. Sie erinnert sich an glorreiche Zeiten und trauert um den Verlust ihrer Schönheit und Macht. Die Mezzosopranistin Stéphanie d’Oustrac, die als Spezialistin für das französische Repertoire gilt und nach fast 20 Jahren zu den Philharmonikern zurückkehrt, verleiht Kleopatra ihre Stimme. Noch am Anfang seiner Komponistenkarriere stehend bewies Berlioz in diesem Werk, welch revolutionäres Potenzial in ihm steckt. Sein exzentrischer Stil fand bei den Zeitgenossen allerdings noch wenig Anklang.
Einen regelrechten Skandal löste 1926 die Kölner Uraufführung von Béla Bartóks grotesker Ballettpantomime Der wunderbare Mandarin aus. Der ungarische Komponist spiegelt in diesem Werk das apokalyptische Lebensgefühl jener Zeit wider – mit einer aggressiven Motorik, einer atonalen Harmonik und einer expressiven, verstörenden Klangsprache. Das Ballett, aus dem Bartók zwei Jahre nach der Uraufführung eine Konzertfassung in Suitenform zusammenstellte, handelt von einem jungen Mädchen, das von gewissenlosen Zuhältern verschachert werden soll. Drei berührende Geschichten, drei packende Kompositionen.
Den Kontrast dazu bildet das erste Stück des Programms: Mysterium času, in dem Miloslav Kabeláč dem Phänomen der Zeit nachspürt. Der 1908 in Prag geborene Komponist hatte während des Nationalsozialismus und des kommunistischen Regimes in seinem Land keine Chance auf Erfolg. Das prägte seinen Stil. »Seine Stücke sind Studien, was Musik ohne außermusikalische Hilfe ausdrücken kann «, erklärt Hrůša, für den Kabeláč einer der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts ist.
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