Bekanntes neu gehört: Musikalische Metamorphosen
Aus der Idee, etwas Bestehendes in neuer Gestalt zu präsentieren, entstand im Lauf der Musikgeschichte eine spannende Vielfalt an Bezügen. Bearbeitungen, Zitate, Hommagen und Parodien reizten und reizen bis heute viele Komponist*innen. Wie klingt ein Klavierquartett von Brahms, wenn es von einem Orchester gespielt wird, wie Bizets Oper Carmen als Violinfantasie und wie könnten Schuberts letzte Symphonieskizzen fortgesetzt werden? Das hören Sie in unserer Playlist mit musikalischen Metamorphosen.
Komponist*innen können sich untereinander auf ganz unterschiedliche Weise Referenz erweisen: Das Spektrum reicht von der Übernahme von Formverläufen über die Entlehnung von Themen für Variationen-Folgen bis zu »wörtlichen« Zitaten. Diese Playlist zeigt darüber hinaus, dass es nicht selten durch eine neue Instrumentalbesetzung gelingt, verborgene Potentiale der Originalfassungen ans Licht zu bringen. So gestaltete Hector Berlioz aus Franz Schuberts Klavierlied vom Erlkönig mithilfe seiner Instrumentationskünste eine regelrechte Opernszene. Auch in Arnold Schönbergs Schaffen findet sich eine Art Gattungstransfer. Seine Orchesterbearbeitung von Johannes Brahms’ Klavierquartett Nr. 1 bezeichnete er als die »Fünfte Symphonie« des Spätromantikers. Grundsätzlich spielten für Schönberg und seine Schüler Uminstrumentierungen eine große Rolle. So verdeutlichte Anton Webern den Stimmverlauf im Ricercar a 6 aus Johann Sebastian Bachs Musikalischem Opfer, indem er das Stück für großes Orchester bearbeitete.
In anderen Fällen hatten neue Fassungen eines Werks für die Akteure der Zweiten Wiener Schule um Schönberg eher pragmatische Gründe: Da ihrem Verein für musikalische Privataufführungen kein Orchester zur Verfügung stand, wurden regelmäßig groß besetzte Werke für Kammerensembles umgeschrieben. So erstellte der Schönberg-Schüler Erwin Stein eine Version von Gustav Mahlers Vierter Symphonie für nur 15 Musiker. Die Berliner Philharmoniker griffen auf diese Fassung zurück, als sie das Europakonzert 2020 wegen der Corona-Pandemie in reduzierter Formation bestreiten mussten.
Unsere Auswahl komplettieren Maurice Ravels Orchesterwerk La Valse, das Elemente des Wiener Walzers in die Atmosphäre des Ersten Weltkriegs versetzt, und Lorin Maazels Wagner-Bearbeitung Der »Ring« ohne Worte. Maazel, der das Werk bei seinem letzten Auftritt mit den Berliner Philharmonikern im Jahr 2000 selbst dirigierte, zeigte, dass sich die Geschichte der großen Opern-Tetralogie auch ohne die Beteiligung von Sänger*innen erzählen lässt.
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