Simon Rattle dirigiert Mahlers Fünfte Symphonie
Gustav Mahlers Fünfte Symphonie verdankt ihre Popularität dem Adagietto, einem Satz voller Zartheit, Träumen und hoffnungsvollem Sehnen. Dabei übersieht man leicht die vielen Facetten der übrigen Sätze: die Vehemenz des zweiten und dritten Satzes, die überschwängliche Hochstimmung des Finales. Als schlicht »atemberaubend« und »tief berührend« beschrieb die Presse diese Interpretation mit Simon Rattle.
Wer an Mahlers Fünfte Symphonie denkt, denkt an das Adagietto – zumindest seit der Satz 1971 als Filmmusik zu Luchino Viscontis Tod in Venedig wesentlich zum morbiden Charme dieser Thomas-Mann-Adaption beitrug. Dabei ergibt sich bei Visconti eine Umdeutung: Hier ist das Adagietto eine Chiffre für das Abschiednehmen vom Leben. Mahler selbst hingegen schrieb diese Musik offenbar unter dem Eindruck seiner frisch erblühten Liebe zu Alma Schindler, seiner späteren Ehefrau. Und tatsächlich wird der unbefangene Hörer im Adagietto vor allem Zartheit, Träumen und hoffnungsvolles Sehnen hören.
Mahler wäre indessen nicht Mahler, wenn er eine ganze Symphonie in eine einheitlich romantische Stimmung tauchen würde. So eröffnet er das Werk mit einem Trauermarsch und verbreitet in den folgenden beiden Sätzen teils desaströse, teils tänzerische Vehemenz. Das Finale wiederum kulminiert in einer für Mahler seltenen Hochstimmung, was insofern nicht überrascht, als er diesen Satz im Sommer 1902 auf der Hochzeitsreise mit Alma komponierte.
Wie üblich in Simon Rattles Mahler-Zyklus mit den Berliner Philharmonikern von 2010/11 wird der Symphonie eine Komposition von verwandter Physiognomie an die Seite gestellt. In diesem Fall ist das die Musik, die Henry Purcell für die Beisetzung der englischen Königin Maria II. im Jahr 1695 schrieb. Zwar dürfen wir ausschließen, dass Mahler Purcells Werk gekannt hat, doch der Trauermarsch seiner Fünften Symphonie zeigt, dass beide Komponisten ein ganz ähnliches Gespür für den musikalischen Ausdruck von Trauer hatten.
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