Daniel Barenboim dirigiert Tschaikowsky und eine Entdeckung
Er sei bei der Komposition »immer wieder in Tränen ausgebrochen« – so Peter Tschaikowsky über seine Sechste Symphonie, die Pathétique. Der emotionale Hochdruck hinderte ihn allerdings nicht daran, ein Werk voller Komplexität und Einfallsreichtum zu schaffen. Am Beginn dieses Konzerts dirigiert Daniel Barenboim den Symphonischen Hymnos Teufel Amor von Jörg Widmann.
Besuch aus der Nachbarschaft: Daniel Barenboim, Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden, gastiert am Pult der Philharmoniker. Am Beginn des Programms steht eine Entdeckung: Jörg Widmanns Symphonischer Hymnos Teufel Amor – ein Werk, das seinen Titel einem fragmentarisch überlieferten Gedicht Friedrich Schillers aus dem Jahr 1782 verdankt. In den Zeilen »Süßer Amor, verweile / In melodischem Flug« stellt der Text einen musikalischen Bezug her, der Widmann zu seinem halbstündigen Orchesterwerk inspiriert hat. Zudem entzündete sich die Fantasie des Komponisten an der Gegensätzlichkeit des Titels Teufel Amor, was musikalisch zu einer Verbindung stark kontrastierender Elemente führte. Und vielleicht verleiht erst die Erfahrung der dunkel timbrierten und »fast unerträglich langen Introduktion, in der die versammelten philharmonischen Geigen schweigen« (Widmann) den späteren »schönen Stellen« der ungebrochen tonal komponierten Musik ihre betörende Wirkung.
Nach der Pause widmet sich Daniel Barenboim Peter Tschaikowskys dramatischer Sechster Symphonie, der Pathétique, zu deren Beginn ebenfalls eine äußerst düstere Einleitung erklingt. Tschaikowsky selbst erklärte die Symphonie zum »Schlussstein seines gesamten Schaffens«. Die Vorstellung von der Pathétique als Tschaikowskys Vermächtnis wurde noch dadurch beflügelt, dass er neun Tage nach der Uraufführung verstarb. Zeitgenossen indessen berichten, der Komponist habe an dem Werk nicht anders als an jedem anderen gearbeitet und sich unmittelbar nach der Vollendung weiteren Projekten zugewandt. Und tatsächlich braucht es wohl ein Mindestmaß an Abgeklärtheit, um solch ein zwar gefühlvolles, aber auch genial konstruiertes Werk zu schaffen, in dem es beispielsweise einen Walzer im komplizierten 5/4-Takt gibt.
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