Yannick Nézet-Séguin und Lisa Batiashvili
Yannick Nézet-Séguin, Chefdirigent des Philadelphia Orchestra, trifft in diesem Konzert auf Lisa Batiashvili – eine ebenso virtuose wie sensible Geigerin und damit die ideale Interpretin von Bartóks sehnsüchtigem Violinkonzert Nr. 1, in dem der Komponist eine unglückliche Liebe verarbeitet. Im Anschluss erklingt Schostakowitschs Symphonie Nr. 13: eine erschütternde Anklage gegen den Antisemitismus in der Sowjetunion.
Von einem »denkwürdigen Abend« mit einem »aufgehenden Stern am Dirigentenhimmel« konnte man in der Presse lesen, als Yannick Nézet-Séguin, Musikdirektor der Rotterdamer Philharmoniker, Erster Gastdirigent des London Philharmonic und Chefdirigent des Philadelphia Orchestra, im Oktober 2010 bei den Berliner Philharmonikern debütierte. Bei diesem philharmonischen Gastspiel dirigiert der quirlige Kanadier Béla Bartóks Erstes Violinkonzert. Solistin ist Lisa Batiashvili, die bei den Philharmonikern 2004 ihr »strahlendes Debüt« gab: Die junge Georgierin fand – aller technischen Mühen ledig – zu einer »leuchtenden Innerlichkeit, zupackend und beseelt, virtuos und klug« (Der Tagesspiegel).
Nach der Pause widmet sich Yannick Nézet-Séguin gemeinsam mit dem Bass Mikhail Petrenko und den Herren des Rundfunkchors Berlin der 1962 komponierten 13. Symphonie von Dmitri Schostakowitsch – einem bekenntnishaften Werk gegen den Antisemitismus, der Anfang der 1960er-Jahre in der UdSSR wieder zunehmend an Boden gewann. Textgrundlage der Symphonie ist Jewgeni Jewtuschenkos 1961 veröffentlichtes Gedicht Babi Jar, in dem der Dichter an den Massenmord an 34.000 Juden durch die SS im September 1941 erinnert und sich in der letzten Strophe selbst mit den Opfern identifiziert. »Bei der Premiere«, so der russische Musikhistoriker Boris Schwarz, »blieb die Regierungsloge leer, und die geplante Fernsehübertragung fand nicht statt. […] Nach dem ersten Satz gab es spontanen Beifall; als das einstündige Werk zu Ende war, brachen Begeisterungsstürme aus, wie man sie nur selten erlebt.«
Von offizieller Seite wurde Schostakowitschs 13. Symphonie totgeschwiegen. Der »Ideengehalt«, so die sowjetische Presse, enthalte »gravierende Fehler«; zudem habe der Komponist »das Gefühl für die Zeit verloren«. Eine Partitur erschien in der UdSSR erst 1971, allerdings mit streckenweise geändertem Vokaltext. Heute zählt Babi Jar, ein vokalsymphonisches Meisterwerk des 20. Jahrhunderts, das nichts von seiner erschütternden Wirkung verloren hat, zu den bekanntesten Kompositionen Schostakowitschs.
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