Marek Janowski dirigiert Bruckners Vierte Symphonie
Marek Janowski gilt als perfekte Verkörperung der deutschen Kapellmeister-Tradition und Meister des spätromantischen Repertoires. Dieses volltönende Programm mit Bruckners Vierter Symphonie und Pfitzners Palestrina-Vorspielen trägt dem Rechnung. Von speziellem Reiz ist in beiden Werken der Blick zurück – wobei Pfitzner die Welt der Renaissance heraufbeschwört, während Bruckner sich in ein Mittelalter voller Ritter und Waldesrauschen hineinträumt.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgte das Publikum Ende Dezember 2016 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt die beiden letzten Konzerte, die Marek Janowski in seiner Funktion als Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin gab: Mit einem weinenden, weil es vorerst Abschied zu nehmen galt von einem Dirigenten, der in seiner 14 Jahre währenden Berliner Amtszeit immer wieder markante Akzente im Musikleben der Hauptstadt gesetzt hatte; mit einem lachenden, weil die Berliner wussten, dass ihnen Janowski weiterhin die Treue halten würde – u. a. natürlich auch als Gastdirigent bei den Berliner Philharmonikern, mit denen er seit 1976 künstlerisch verbunden ist.
Neben den drei Orchestervorspielen aus Hans Pfitzners 1917 uraufgeführter, einem durch und durch spätromantischen Idiom verpflichteten Oper Palestrina hat Janowski mit der 1874 komponierten, bis 1880 mehrfach überarbeiteten Vierten eine der beliebtesten Symphonien von Anton Bruckner auf das Programm gesetzt. Bruckner selbst nannte die Vierte einmal das »verständlichste« seiner Werke, bemühte sich zugleich aber, ihre Musik mit sprachlichen Mitteln zu umschreiben. So notierte Bruckner einmal: »In der romantischen 4. Sinfonie ist in dem 1. Satz das Horn gemeint, das vom Rathaus herab in den Tag ruft. Dann entwickelt sich das Leben; in der Gesangsperiode ist das Thema: der Gesang der Kohlmeise Zizipe. 2. Satz: Lied, Gebeth, Ständchen. 3. Jagd und im Trio wie während des Mittagsmahles im Wald ein Leierkasten aufspielt.« Anderen Quellen zufolge stellte sich Bruckner während der Komposition des Kopfsatzes eine »mittelalterliche Stadt« in der »Morgendämmerung« vor sowie »Waldesrauschen«, während der Arbeit am zweiten Satz hingegen einen »verliebten Bub« beim erfolglosen »Fensterln«.
Weitere Beispiele, wie Bruckner sich um eine bildliche Beschreibung seiner Musik bemühte, ließen sich zahlreich anführen. Dass es aus Bruckners Feder indes kein definitives »Programm« zur Vierten gibt, legt freilich den Verdacht nahe, der Komponist habe mit seinen schriftlichen Äußerungen lediglich augenzwinkernde Versuche unternommen, das Werk der zu seinen Lebzeiten Furore machenden Ästhetik der (durch Liszt und Wagner geprägten) sogenannten Neudeutschen Schule dienstbar zu machen. Dann ließe sich auch erklären, warum Bruckner auf die Bitte, den Finalsatz der Vierten zu erläutern, geantwortet haben soll: »Ja, da woaß i selber nimmer, was i mir bei denkt hab!«
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