Marek Janowski dirigiert Verdis Requiem
Verdis Requiem ist in der Musikgeschichte ohne Vergleich. Nicht jenseitige Transzendenz wollte der italienische Opernkomponist hier vermitteln, sondern emotionale Erschütterung wie in seinen großen Bühnenwerken. In diesem Konzert von 2017 war es mit den Berliner Philharmonikern und dem Berliner Rundfunkchor zu erleben. Dirigent war Marek Janowski, der damit nach mehr als 20-jähriger Pause zum Orchester zurückkehrte.
Anstelle des erkrankten Riccardo Chailly, der diese Konzerte ursprünglich dirigieren sollte, kehrt Marek Janowski nach mehr als 20 Jahren an das Pult der Berliner Philharmoniker zurück – mit Giuseppe Verdis Messa da Requiem, einem ebenso monumentalen wie emotionalen Werk, das er bereits 2015 mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin in der Philharmonie aufgeführt hat. Die Interpretation Janowskis, damals noch Chef des Rundfunk-Sinfonieorchesters, sei – so der Tagesspiegel – weit entfernt von Sentiment und Tränendrüsendrückerei.
Verdis berühmtes Requiem nahm seinen Anfang als Pasticcio im Gedenken an den Tod Gioacchino Rossinis: Die angesehensten italienischen Komponisten, so die Idee, sollten ohne Honorar gemeinsam eine Totenmesse komponieren. Das Projekt, an dem Verdi mit dem Libera me beteiligt war, scheiterte. Als dann am 22. Mai 1873 der Schriftsteller Alessandro Manzoni verstarb, beschloss er, den bedeutendsten Vertreter der literarischen italienischen Romantik mit einer Vertonung des gesamten Messtextes zu ehren, unter Verwendung des bereits komponierten Satzes. Dass in diesem Requiem dem Dies irae die größte Bedeutung zukommt, mag bei einem Opernkomponisten wie Verdi kaum überraschen: Keine andere Textzeile wird so oft, mit solchem Nachdruck und in so vielen musikalischen Schattierungen ins Gedächtnis gebracht wie diese apokalyptische Vision, deren Szenerie vom Beben der Erde, vom Zittern aller Sterblichen und vom posaunenbewehrten letzten Richter nahezu expressionistische Züge annimmt.
Spätestens im Lacrimosa sind dann tatsächlich die Bereiche des Musiktheaters erreicht, denn das Stück basiert auf einem verworfenen Duett aus Don Carlo (zuvor klingt zudem die Gewitterszene aus Rigoletto an). Wie in seinen Bühnenwerken fand Verdi auch im Requiem zu einer fesselnden, gestenreichen Tonsprache, die allerdings keine Transzendenz anstrebt. Der italienische Musikkritiker und -publizist Massimo Mila bezeichnete das Stück daher auch als »Requiem ante mortem«, dessen Musik keine Aussöhnung mit dem Tod suche oder Trost spenden wolle, sondern zu einem bewussteren Leben im Diesseits aufrufe.
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