Paavo Järvi dirigiert Berg und Bruckner
Sinnlich-delikate Klangschönheit, geschaffen von zwei Wegbereitern der Moderne: Das erleben wir in diesem Konzert mit Paavo Järvi. So gibt es Anton Weberns farbenreiche Bearbeitung eines Ricercars von Bach, gefolgt von Alban Bergs Sieben frühen Liedern (Solistin: Mojca Erdmann), die die zärtliche Stimmung einer jungen Liebe einfangen. Den Abschluss markiert Bruckners Zweite Symphonie – ein Frühwerk, das bereits unverkennbar Bruckner’sche Wucht besitzt.
Das Jahr 1907 war für Alban Berg in mehrfacher Hinsicht bedeutungsvoll: Der damals 22-Jährige, der seit 1904 Kompositionsschüler von Arnold Schönberg war, erhielt im Rahmen dieses Unterrichts die Möglichkeit, drei seiner Lieder in einem Schülerkonzert öffentlich aufzuführen. Und nicht nur das: Er lernte die schöne, umschwärmte und mit einer wunderbaren Stimme ausgestattete Helene Nahowski kennen, die er später heiratete. Die drei aufgeführten Werke, »Nachtigall«, »Liebesode« und »Traumgekrönt«, bildeten den Kern einer Sammlung, die Berg 21 Jahre später unter dem Titel Sieben frühe Lieder herausgab. In ihr überarbeitete und orchestrierte er sieben seiner Jugendwerke und fügte sie zu einem geschlossenen Liederzyklus zusammen. Meisterhaft instrumentiert, transportieren diese Stücke, die in diesem Programm von Mojca Erdmann als Einspringerin für die erkrankte Hanna-Elisabeth Müller gesungen werden, die innige, zärtliche, verwirrte und romantische Stimmung einer jungen Liebe. Gleichzeitig ist der Einfluss von Gustav Mahler, Richard Strauss und Hugo Wolf auf den jungen Komponisten unüberhörbar.
1877, also genau 30 Jahre vor der ersten öffentlichen Aufführung der drei bergschen Lieder, vollendete Anton Bruckner die zweite Fassung seiner Symphonie c-Moll. In diese Version seiner nach offizieller Zählung Zweiten Symphonie flossen die Erfahrungen ein, die er durch die Uraufführung der Erstfassung im Oktober 1873 anlässlich der Wiener Weltausstellung und einer weiteren Aufführung im Februar 1876 gemacht hatte. Innerhalb von Bruckners Schaffen steht dieses Werk bis heute im Schatten seiner anderen Symphonien. Weniger innovativ und kühn gestaltet als die Erste, setzt die Zweite jedoch konsequent den von Bruckner beschrittenen Weg zum eigenen Personalstil fort: Erstmals entsteht das Hauptthema über jenem geheimnisvollen Tremolo, das typisch für seine Symphonieanfänge werden sollte. Die durch Generalpausen getrennten thematischen Blöcke und das Aufeinanderprallen kontrastierender Abschnitte sind gleichfalls charakteristische Merkmale für Bruckners ureigene Art des Komponierens. Was diese Symphonie als Besonderheit ausweist: Immer wieder nimmt Bruckner auf seine f-Moll-Messe Bezug, deren erfolgreiche Uraufführung genau in die Entstehungszeit der Erstfassung fällt.
Die Berliner Philharmoniker spielten Bruckners Symphonie Nr. 2 erstmals im Oktober 1902 unter Leitung ihres damaligen Chefdirigenten Arthur Nikisch, der ein großer Bewunderer des Komponisten war. In den philharmonischen Konzerten wird das Stück jedoch eher selten aufgeführt. Zuletzt erklang es im April 2007 in einer Interpretation von Seiji Ozawa. In dieser Saison widmet sich Paavo Järvi der Zweiten Symphonie, der sich bei den Berliner Philharmonikern erstmals mit einem Werk Anton Bruckners präsentiert.
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