Daniel Harding dirigiert Berlioz’ »Roméo et Juliette«
Obwohl die Liebe das alles überstrahlende Thema in Romeo und Julia ist, gibt es hier noch viele weitere emotionale Zustände zu erleben: schönste Feststimmung, den Hass einer Familienfehde und natürlich Trauer und Entsetzen angesichts eines tragischen Doppelselbstmords. All das hat Hector Berlioz in seiner zwischen Symphonie und Kantate angesiedelten Version eingefangen: dramatisch, opulent, einfallsreich. Dirigent dieser Aufführung ist Daniel Harding, der sich seit Jahren für das Werk engagiert.
»Beethoven konnte nur in Berlioz wieder aufleben; und ich, der ich Ihre göttlichen Kompositionen genossen habe […] halte es für meine Pflicht, Sie zu bitten, als Zeichen meiner Ehrerbietung 20.000 Francs annehmen zu wollen.« Kein Geringerer als der von Zeitgenossen oft als knauserig beschriebene Violinvirtuose Niccolò Paganini richtete 1838 diese Zeilen an Hector Berlioz. Der fühlte sich geehrt, freute sich als jemand, der seinerzeit notorisch pleite war, vor allem aber über die erkleckliche finanzielle Zuwendung. »Nach Bezahlung meiner Schulden war ich noch im Besitz einer sehr schönen Summe, und ich dachte nur daran, sie für musikalische Zwecke zu verwenden«, berichtete der Komponist in späteren Jahren. »Nach ziemlich langem Zögern entschied ich mich für eine Symphonie mit Chor [und] Gesangssoli.«
Damit war die Idee zu Roméo et Juliette geboren. Sieben Monate arbeitete Berlioz nach eigener Aussage an dem von Shakespeares Tragödie inspirierten Werk, das er nach Abschluss der Partitur als »Symphonie dramatique« bezeichnete. Tatsächlich stellt die Komposition keine Kantate oder konzertante Oper dar, sondern wird von Berlioz in die Tradition von Beethovens Neunter Symphonie eingereiht: als zyklische Instrumentalkomposition, die durch die Verwendung von Vokalstimmen die klassischen Grenzen der Gattung erweitert. So ist im Vorwort zur Partitur von Roméo et Juliette zu lesen: »Wenn der Gesang nahezu von Anfang an mitwirkt, so geschieht das, um den Zuhörer auf die dramatischen Szenen vorzubereiten, deren Gefühle und Leidenschaften durch das Orchester ausgedrückt werden sollen.« Vereinfachend könnte man heute auch sagen: Das Programm ist nicht in einer Begleitbroschüre nachzulesen, sondern dem Werk in Form von Solostimmen und Chor einkomponiert. Das erklärt auch, warum Schlüsselmomente der shakespeareschen Dramenhandlung wie etwa die berühmte Balkonszene nicht als opernhafte Vokalnummern, sondern als instrumentale Stimmungsbilder gestaltet sind. In seinen Memoiren wies Berlioz auf die »Schwierigkeiten« hin, die sich »durch das Ungewöhnliche des Stils und der Form« ergeben, und betonte, man benötige für eine Aufführung von Roméo et Juliette vor allem eins: »erstklassige Kräfte«.
Und die werden ohne Zweifel aufgeboten, wenn der als junger Mann von Sir Simon Rattle und Claudio Abbado geförderte, mittlerweile auf allen Konzertpodien rund um den Globus gefeierte Daniel Harding Berliozʼ singuläre Komposition mit den Berliner Philharmonikern, dem Rundfunkchor Berlin und renommierten Vokalsolisten im Rahmen des Musikfests Berlin zum Leben erweckt.
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