»Die Goldenen Zwanziger«: Kirill Petrenko dirigiert Weill und Strawinsky
Kirill Petrenko lässt die 1920er-Jahre aufleben – mit einem Frühwerk von Kurt Weill. In seiner selten gespielten Symphonie in einem Satz knüpft Weill hörbar an Liszt, Mahler und Strauss an. Die Musik ist fesselnd, auftrumpfend und fulminant, wartet aber auch mit filigranen kammermusikalischen Passagen auf. Außerdem erklingt Strawinskys 1927 entstandenes Opern-Oratorium Oedipus rex, dessen Geschichte im antiken Griechenland spielt und dessen Musik – wie sollte es anders sein? – kristallklarer Neoklassizismus ist.
Der Name Kurt Weill taucht bereits 1923 und dann bis 1933 einige weitere Male auf Konzertprogrammen der Berliner Philharmoniker auf. Den Weg zum Orchester hatte dem jungen Komponisten sicherlich auch der Umstand geebnet, dass er zu den Schülern Ferruccio Busonis gehörte, der den Philharmonikern nicht zuletzt als engagierter Anwalt der zeitgenössischen Musik eng verbunden war. Weills 1956 postum uraufgeführte Erste Symphonie erklingt nun unter der Leitung von Chefdirigent Kirill Petrenko und als Auftakt zum Online-Festival »Die Goldenen Zwanziger« erstmals in einem philharmonischen Konzert. Das Werk ist 1921 entstanden und wurde von einem religiösen Drama des Dichters (und späteren DDR-Kulturministers) Johannes R. Becher inspiriert. Das Gewicht der Konzeption verraten bereits die dissonanten Akkorde, die in der Art eines Mottos die Symphonie eröffnen. Die eingeflochtenen Choral-Passagen am Ende verweisen auf Bechers Stück, das im Untertitel den »Aufbruch eines Volkes zu Gott« ankündigt.
Als zweites bedeutendes Werk aus den 1920er-Jahren dirigiert Kirill Petrenko Igor Strawinskys Opern-Oratorium Oedipus rex. Die vom Komponisten mit Jean Cocteau geschriebene Adaption des griechischen Dramas von Sophokles wird in lateinischer Sprache gesungen, während die vermittelnden Erzähler-Passagen jeweils in der Landessprache des Aufführungsorts vorgetragen werden sollen. Die tragische Handlung um König Oedipus, der seinen Vater tötet und seine Mutter heiratet, wird also zugleich in die Distanz und in die Nähe gerückt. Zu den Vorbildern, auf die sich Strawinsky in seiner von untergründiger Spannung und formal gebändigter Emotionalität geprägten Komposition bezieht, gehören barocke Komponisten ebenso wie Giuseppe Verdi.
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