John Eliot Gardiner dirigiert Brahms und Mendelssohn
John Eliot Gardiner und sein Monteverdi Choir präsentieren zwei zentrale Chorwerke der Romantik. In dieser Epoche sollte geistliche Musik den Menschen erbauen. Brahms tut das in seinem dramatischen Schicksalslied, indem er den resignativen Text Hölderlins mit einem optimistischen Nachspiel umdeutet. Mendelssohns Zweite Symphonie wiederum zeichnet mit ihren klangvollen Chören, Duetten und Arien einen Weg, der in die strahlende Vision einer besseren Welt mündet.
Nach einem Strawinsky-Programm im Juni 2016 kehrt Sir John Eliot Gardiner mit Werken der deutschen Romantik zu den Berliner Philharmonikern zurück. Zum ersten Mal musiziert das Orchester bei diesem Anlass mit dem Monteverdi Choir, der 1964 von dem englischen Dirigenten gegründet wurde und längst Weltruhm genießt.
In der Einführung zu einer CD-Aufnahme schrieb Gardiner von der »wunderbaren und häufig unterschätzten« Chormusik Johannes Brahms’. In diesem Konzert erklingt das auf einem Gedicht aus Hölderlins Roman Hyperion basierende, 1871 uraufgeführte Schicksalslied. Meisterhaft vermittelt Brahms auf musikalische Weise den Kontrast, der dem Dichter zufolge zwischen der heiteren, »schicksallosen« Welt der antiken Götter und der von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit geprägten menschlichen Existenz besteht.
In Felix Mendelssohns 1840 in Leipzig uraufgeführtem Lobgesang folgt wie in Beethovens Neunter auf drei instrumentale Sätze ein ausgedehnter zweiter Teil mit Vokal-Soli und Chor. Anders als der Bonner Kollege verlässt Mendelssohn allerdings die für die Gattung der Symphonie charakteristische Sphäre des Weltlichen, indem er im zweiten Teil Texte aus verschiedenen Psalmen in Duetten, Arien, Chören und Chorälen vertont. Instrumentale Themen des ersten Teils werden dabei sogar gewissermaßen nachträglich »betextet«, wenn sie von den Singstimmen im zweiten Teil wieder aufgenommen werden. Aufgrund des Bruchs mit den Gattungstraditionen bezeichnete Mendelssohn seinen zum 400-jährigen Bestehen der Buchdruckerkunst komponierten Lobgesang zunächst nicht als Symphonie, sondern als »Sinfoniekantate«.
Fast genau zwanzig Jahre nach der letzten Aufführung, die im März 2002 unter der Leitung von Claudio Abbado stattfand, ist das wunderschöne Werk hier in einem philharmonischen Konzert zu erleben.
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