Carlos Kleiber: Ich bin der Welt abhanden gekommen
Schon zu Lebzeiten war Carlos Kleiber ein Mythos: ein Dirigent, der von Publikum und Kollegen vergöttert wurde und doch, von Selbstzweifeln verfolgt, nur zögernd und mit den Jahren immer seltener zum Taktstock griff. In dieser Dokumentation versucht Georg Wübbolt, dem Phänomen Kleiber Konturen zu verleihen.
Um sich Kleiber zu nähern, spricht der Regisseur mit Weggefährten wie Michael Gielen, Riccardo Muti und Wolfgang Sawallisch, zeigt seltene Probenmitschnitte und zitiert aus Briefen und Aufzeichnungen des Dirigenten.
Die Berliner Philharmoniker machten schnell ihre Erfahrungen mit Kleibers Skrupeln: So scheiterte eine erste Zusammenarbeit 1982 an Kleibers Unzufriedenheit mit dem Notenmaterial – ein Vorwand nur zur Absage, glaubt indessen der damalige Kontrabassist Rudolf Watzel. Noch weitere Musiker und Mitarbeiter der Philharmonie kommen im Film zu Wort und schildern, wie 1989 und 1994 dann doch noch zwei unvergessliche Konzerte mit Kleiber realisiert werden konnten.
Stärker noch als die Berichte der Zeitzeugen vermitteln Video-Aufnahmen von Konzerten das Faszinierende an Kleibers Musizieren. Wir sehen die einzigartige Eleganz seiner Bewegungen, die nichts mit bloßem Taktschlagen gemein haben, sondern Spannungsbögen und Ausdruck der Musik delikat modellieren. Dass seine Vorgaben vom Orchester vollendet umgesetzt wurden, ist eine weitere wunderbare Gabe dieses Dirigenten. Sie wird verständlich in Mitschnitten von Proben, in denen Kleiber seinen Intentionen mit Charme und phantasievollen Metaphern vermittelt. Nicht als entrückter Pult-Titan erscheint er hier, sondern als Künstler, der mit jeder Faser seines Körpers die Musik lebt.
Ein Film von Georg Wübbolt (2011)
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