Karajan: Schönheit, wie ich sie sehe
Das Phänomen Herbert von Karajan fasziniert bis heute. Robert Dornhelm unternimmt in seiner Dokumentation den Versuch, den Menschen hinter dem Image erkennbar zu machen. Dazu greift er auf einen Schatz von bisher kaum bekanntem Archivmaterial zurück, das er mit Aussagen von Kollegen und Familienmitgliedern zu einem vielschichtigen Porträt montiert.
Herbert von Karajan war ein außergewöhnlicher Musiker, der in einer außergewöhnlichen Zeit lebte. 1908 in Salzburg geboren, beobachtete er als Sechsjähriger während eines Familienurlaubs an der Adria jenen Schiffskonvoi, der im Juli 1914 die Leichen des ermordeten österreichischen Thronfolgers und seiner Frau von Sarajewo nach Triest überführte. Er erlebte zwei Weltkriege, den Kalten Krieg und das Wirtschaftswunder im Nachkriegsdeutschland, und er starb nur wenige Wochen vor dem Fall der Berliner Mauer. Um ein solches Leben in die richtige Perspektive zu rücken, braucht es Zeit. Schon zu seinen Lebzeiten wurde viel über Karajan geschrieben, wobei das öffentliche Bild allerdings oft in die Irre führte. Nur wenige Menschen jenseits des engsten Kreises seiner Familie, seiner Freund*innen und bevorzugten Musikerkolleg*innen kannten den Mann hinter dem Image.
Durch Robert Dornhelms Dokumentation – 2008 aus Anlass des 100. Geburtstages von Karajan erschienen – erhielt ein breites internationales Publikum erstmals einen schlüssigen und umfassenden Blick auf das Phänomen Karajan. Weder das Interesse an seiner Person noch die Verkaufszahlen seiner Aufnahmen hatten in der Zeit seit seinem Tod 1989 spürbar nachgelassen. Gleichzeitig waren große Mengen Archivmaterial aufgetaucht, darunter viele bislang unbekannte Probenmitschnitte aus verschiedenen Theatern, Aufnahmestudios und Konzertsälen. Zudem gab es neue Forschungserkenntnisse, und 1993 sendete der ORF eine wichtige dreiteilige Dokumentation von und mit Marcel Prawy, in der viele Musiker*innen zu Wort kamen, die Karajan seit den Anfängen seiner Karriere kannten und das Ende des 20. Jahrhunderts nicht mehr erleben sollten.
Dornhelms Film verzichtet auf einen Off-Sprecher und präsentiert stattdessen in einem kontinuierlichen Erzählfluss diese Archivschätze in Kombination mit Aussagen Menschen, die Karajan und seine Arbeit noch selbst erleben durften.
Ein Film von Robert Dornhelm und Joachim Kaiser (2008)
Kategorie
Künstler*innen
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