Karajan dirigiert Beethovens Symphonien Nr. 3 & 7
Mit seiner Dritten Symphonie, der Eroica, präsentiert Ludwig van Beethoven sich zum ersten Mal als Titan, der sich furchtlos seinem Schicksal stellt. Gleichermaßen zupackend geben sich Herbert von Karajan und die Berliner Philharmoniker in ihrer Interpretation, die von Regisseur Hugo Niebeling mit einem faszinierenden Bildkonzept dokumentiert wurde. In gleicher Gestalt ist hier Beethovens Siebte zu erleben.
Sein Debüt als Beethoven-Dirigent gab Herbert von Karajan 1931 in Ulm mit der Eroica – eine ehrgeizige Wahl für einen 23-jährigen, noch ganz am Anfang seiner Karriere stehenden Kapellmeister am Pult eines Provinzorchesters. Doch in der Lokalpresse hieß es: »Man hörte und staunte.«
Als junger Mann bemühte sich Karajan sehr um eine Aussöhnung der alten, an der Musik Richard Wagners geschulten romantischen Beethoven-Tradition mit dem flotteren, transparenteren Beethoven-Stil, den Dirigenten wie Arturo Toscanini oder Richard Strauss propagierten. Keine leichte Aufgabe, und im Hinblick auf die bacchantische Siebte Symphonie erinnerte sich Karajan später: »Als ich ein junger Dirigent war, nahm man in Deutschland das Finale viel langsamer als heutzutage. Ich wusste, dass das falsch war, aber ich konnte mich nicht von dieser Tradition lösen, weil ich den inneren Gehalt der Musik noch nicht richtig erfasst hatte.«
Als Karajan die Leitung der Berliner Philharmoniker übernahm, fand er ein Orchester vor, das besonders durch die mitreißende Wucht seines Spiels begeisterte. Diese Qualität wurde auch ein wichtiges Element seiner mittlerweile legendären Beethoven-Interpretationen, die er und die Berliner in den 1960er- und 1970er-Jahren in allen großen Konzertsälen in Europa, Japan und den USA präsentierten und in der Folge auch auf Platte festhielten. 1961 schrieb ein Kritiker nach einem Londoner Konzert: »Das Orchester spielte den ganzen Abend über großartig. Jeder Musiker strich, blies und schlug sein Instrument, als gälte es sein Leben. Die Geigen wogten hin und her wie Ähren im Wind. Jeder einzelne Ton war mit Leben erfüllt, blieb aber immer ein Teil des Gesamtklangs. Es gab keinen einzigen falschen Ton oder Schwachpunkt während des gesamten Konzerts, und man konnte Dinge wirklich hören, die man sonst mühsam beim Partiturstudium in den Noten suchen muss.«
Dieses Erlebnis wollte der 1930 geborene Avantgarde-Regisseur Hugo Niebeling einfangen mit seinen brillanten Konzertfilmen der Dritten und Siebten Symphonie aus dem Jahr 1971. In beiden Filmen ist das Orchester in drei steil ansteigenden Dreiecken platziert, was die Form des antiken griechischen Theaters aufnimmt, dessen Sitzreihen sich von einer runden Orchestra – der Fläche, auf der in der Antike der Chor agierte – aus den Hang hinaufzogen. Und wenn auf dem Höhepunkt der Durchführung im ersten Satz der Eroica unheilvolle Dissonanzen ertönen, schwenkt die Kamera in einem dramatischen Effekt auf die Schalltrichter der Trompeten, die in ein blendendes Licht getaucht werden.
© 1972 Unitel