Matthias Pintscher und Renaud Capuçon
Matthias Pintscher zählt nicht nur zu den herausragenden Komponisten unserer Zeit, sondern auch zu den spannendsten Dirigenten, vor allem seit er 2013 zum Leiter des berühmten Ensemble intercontemporain ernannt wurde. In diesem Konzert vom September 2015 gibt er sein Debüt am philharmonischen Dirigentenpult. Auf dem Programm stehen Werke von Fauré, Schönberg und Debussy sowie Pintschers eigenes mar’eh mit dem Geiger Renaud Capuçon als Solist.
»Ich glaubte, Wege gefunden zu haben, Themen und Melodien zu bilden und auszuführen, die verständlich, charakteristisch, originell und expressiv waren trotz der erweiterten Harmonik, die wir von Wagner geerbt hatten«, erinnerte sich Arnold Schönberg 1937 an die Entstehung seiner Ersten Kammersymphonie aus dem Jahre 1906, bekannte aber: »Es war ein ebenso schöner Traum wie enttäuschender Fehler.« Den seinerzeit gefassten Entschluss, eine zweite Kammersymphonie in Angriff zu nehmen und es diesmal besser zu machen, gab der Komponist zugunsten anderer Werke aber schon bald auf. 30 Jahre ruhte das Projekt in der Schublade, dann nahm Schönberg auf Anregung des Dirigenten Fritz Stiedry, der dem Komponisten auf der Flucht vor den Nationalsozialisten 1937 ins nordamerikanische Exil gefolgt war, die Arbeit an der Zweiten Kammersymphonie wieder auf. Keine leichte Aufgabe, wie sich herausstellte: »Die meiste Zeit verbringe ich damit herauszufinden: ›was hat der Autor hier gemeint?‹«, schrieb Schönberg während des Studiums seiner eigenen Kompositionsskizzen im Herbst 1939 an Stiedry: »Mein Stil hat sich inzwischen ja sehr vertieft ...«
Was Matthias Pintscher mit seinem Violinkonzert mar’eh »meinte«, wird er sicher noch genau wissen, wenn er am Dirigentenpult Aufführungen des 2011 geschriebenen Werks leitet, das in diesem Mitschnitt von dem französischen Geigenstar Renaud Capuçon interpretiert wird. Einen Hinweis hat der Komponist bereits gegeben: »Mar’eh heißt Antlitz, Zeichen. Das hebräische Wort kann auch die Aura eines Gesichtes meinen, eine schöne Erscheinung, etwas Wunderbares, das plötzlich vor Dir aufscheint.« Die schöne Erscheinung einer jungen Frau führt in Maurice Maeterlincks 1893 in Paris aus der Taufe gehobenem Schauspiel Pelléas et Mélisande zu einem Beziehungsdrama mit tödlichem Ausgang. Vier Jahre nachdem Gabriel Fauré 1898 eine die leisen (Unter-)Töne von Maeterlincks Sprache kongenial einfangende Bühnenmusik zu Pelléas et Mélisande komponiert hatte, wagte sich ein Komponist daran, das Drama zu vertonen: Claude Debussy, der in diesem Konzertprogramm mit La Mer, einer orchestralen Hymne an den Atlantik, vertreten ist.
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