Simon Rattle dirigiert Beethovens Symphonien Nr. 1 und 3
Die Aufführung sämtlicher Beethoven-Symphonien ist immer ein einzigartiges Projekt. Nach einer ersten Serie 2008 legten die Berliner Philharmoniker und Simon Rattle im Oktober 2015 erneut ihre Lesart vor. Den Auftakt macht die Erste Symphonie, deren dissonanter Anfangsakkord bereits die aufregende Individualität des Zyklus ankündigt – bevor die kämpferische Eroica endgültig mit allen musikalischen Normen der damaligen Zeit bricht.
Von seiner Ersten Symphonie bis hin zur Eroica legte Ludwig van Beethoven im Zeitraum von nur fünf Jahren einen weiten Weg zurück. Ausgangspunkt dieser musikhistorisch bedeutsamen Entwicklung, an deren Anfang die 1799/1800 komponierte C-Dur-Symphonie stand, waren die Modelle später Haydn-Symphonien, welche mit ihrer ausgewogenen Form, ihrem Kontrastreichtum und ihrer individuellen Charakteristik das derzeitige Maß der symphonischen Dinge waren.
Obgleich Beethoven viele dieser Muster in seine Erste Symphonie übernahm, wird die Vorstellung von dem, was als symphonisch anzusehen sei, hier neu definiert. Dies zeigt bereits der dissonante Septimklang, mit dem das Werk eingeleitet wird, denn einen vergleichbar spannungsreichen Anfang hatte es bis dahin noch nicht gegeben. Es scheint, als habe Beethoven mit diesem ersten Takt überdeutlich machen wollen, dass zu Beginn des neuen Jahrhunderts die Karten der Gattung neu gemischt werden.
Der C-Dur-Symphonie lässt Sir Simon Rattle in seinem Beethoven-Zyklus die Eroica folgen, die endgültig mit allen Normerwartungen der Zeitgenossen brach. Denn in diesem Werk überschritt Beethoven auf dem von ihm so bezeichneten »neuen Weg« in bisher ungekannter Deutlichkeit die Konventionsgrenzen – mit einer Musik, die ihren aus der Klangwelt der französischen Revolution und der napoleonischen Siege gespeisten Intonationsschatz mit zahllosen Anklängen an offizielle Festhymnen und Trauermärsche der ersten französischen Republik an keiner Stelle verleugnete.
Dabei steht die Eroica nicht in der Tradition der Battaglia- und Schlachtensymphonien, jenem Genre, zu dem Beethoven später mit dem Klanggemälde Wellingtons Sieg oder Die Schlacht von Vittoria op. 91 seinen Betrag leistete. Vielmehr zielt der heroische Tonfall, ähnlich wie in der 1797 entstandenen Grande Sinfonie caractéristique pour la paix avec la République françoise des Mozart-Zeitgenossen Paul Wranitzky, auf ein weltanschauliches Bekenntnis, das losgelöst vom konkreten politischen Kontext der Zeit eine universelle Bedeutung erlangt.
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