Simon Rattle und Daniel Stabrawa
Albert Roussel und Jean-Philippe Rameau – obwohl im Abstand von 200 Jahren geboren – waren Brüder im Geiste: individuell, überraschend, mit einem einzigartigen Farbsinn. Alle diese Qualitäten zeigen sich in diesem Konzert mit Roussels Le Festin de l’araignée und Rameaus Les Boréades. Simon Rattle und Daniel Stabrawa interpretieren darüber hinaus das wunderbar zwischen Impressionismus und polnischer Folklore changierende Violinkonzert Nr. 2 von Karol Szymanowski.
Mit Le Festin de l’araignée (Das Festmahl der Spinne) schuf Albert Roussel eine der farbenreichsten Ballettpartituren des 20. Jahrhunderts – eine brillant instrumentierte Tanzpantomime, in welcher der Mikrokosmos der Insekten zu einem ironischen Spiegelbild des menschlichen Lebens wird. Die Premiere des impressionistisch-schillernden Meisterwerks am 3. April 1913 wurde Roussels erster großer Erfolg – kein Wunder, dass der einstige Vincent-d’Indy-Schüler von dem Stück bald eine Version für den Konzertsaal anfertigte, die Sir Simon Rattle an den Anfang dieses Konzerts gestellt hat.
Anschließend widmet sich Daniel Stabrawa, 1. Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, dem zweiten Violinkonzert seines Landsmanns Karol Szymanowski, der zu den bedeutendsten schöpferischen Talenten der polnischen Musikgeschichte im 20. Jahrhundert zählt. Das Werk, in dem das reiche Klanggewebe des Orchesterparts aufgrund der Verwendung ständig wechselnder Instrumentalgruppen eine geradezu kaleidoskopartige Vielfalt der Klangfarben erzeugt, ist von den folkloristischen Musiktraditionen der hohen Tatra beeinflusst, wobei diese Einflüsse untrennbar mit Szymanowskis eigenem Komponieren verbunden werden.
Nach der Pause präsentiert Sir Simon ein Werk, das er während seiner 18 Jahre währenden Zeit in Birmingham als ureigenes Markenzeichen eingeführt, und das er in Berlin erstmals Anfang November 1993 dirigiert hat: Ein eigenes Arrangement aus Jean-Philippe Rameaus letzter Tragédie lyrique Les Boréades, die erst mehr als 200 Jahre nach der Entstehung ihre konzertante Premiere erlebte. Denn das Werk, das Rameau als 80-Jähriger in seinem vorletzten Lebensjahr komponierte, wurde seinerzeit zwar geprobt, und das mit den damals bedeutendsten Sängerinnen und Sängern der Pariser Opéra. Die fürs Frühjahr 1764 avisierte Premiere kam jedoch nicht zustande. Ursachen hierfür könnten ebenso das Égalité und Fraternité verherrlichende Libretto gewesen sein, wie die extremen Schwierigkeiten, mit denen die Partitur nicht nur in den Gesangspartien aufwartet.
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