Simon Rattle dirigiert Mahlers Siebte Symphonie in der Royal Albert Hall
Sie beide beeindrucken durch gewaltige Dimensionen: Mahlers Siebte Symphonie und die Royal Albert Hall in London. 2017 präsentierten Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker das Werk hier im Rahmen der Proms-Konzerte. Als »Wunder« bezeichnete der Sunday Telegraph die Aufführung: »Am Ende hatte jeder der Orchestermusiker Gelegenheit zum Brillieren erhalten – einschließlich Rattle, der die elektrisierenden Kontraste des Finales so extrem herausarbeitete, dass sie wie eine Sinnestäuschung wirkten.«
Kaum einer Institution ist es so nachhaltig gelungen, die Hemmschwellen gegenüber klassischer Musik beim großen Publikum so zu senken wie den Londoner Proms. 1895 zum ersten Mal veranstaltet, finden die Konzerte der sommerlichen Veranstaltungsreihe seit 1941 in der prächtigen Royal Albert Hall statt, die bis zu 9500 Zuschauer beherbergt. Mit erschwinglichen Ticketpreisen und einer unverwechselbar locker-konzentrierten Stimmung verwirklichen die Proms seit mehr als 120 Jahren das Ziel ihres legendären Gründers Sir Henry Wood: »Die Botschaft der klassischen Musik zu demokratisieren und ihre segensreichen Wirkungen zu universalisieren.«
Dabei ist der Geist der Konzerte zugleich urbritisch – speziell in der berühmten Last Night of the Proms – und international: Längst gehört die Veranstaltungsreihe zu den beliebten Gastspielorten der besten Orchester aus aller Welt. 1991 traten auch die Berliner Philharmoniker hier erstmals auf und interpretierten unter Leitung von Claudio Abbado Gustav Mahlers Vierte Symphonie. Nun steht, dirigiert von Sir Simon Rattle, wieder ein Mahler-Werk auf dem Programm: die Siebte, ergänzt um Pierre Boulez’ Éclat.
Den traditionell geschickt zwischen populären und sperrigen Werken balancierenden Programmen der Proms entspricht Gustav Mahlers Siebte Symphonie auf ideale Weise. Kaum ein Satz des Komponisten scheint einen so strahlenden, unzweideutig jubelnden Charakter aufzuweisen wie das Finale diese Werks. Zugleich haben schon zeitgenössische Kritiker dem stets doppelbödigen Komponisten auch an dieser Stelle parodistische Absichten unterstellt. Über unwiderstehlichen Reiz verfügen die als Nachtmusiken betitelten Sätze zwei und vier, wobei letzterer besonders durch den Einsatz einer Gitarre aparte Klangbilder hervorruft.
Dem epischen Atem Mahlers stellen die Berliner Philharmoniker und ihr Chefdirigent mit Pierre Boulez’ Éclat ein kaum acht Minuten dauerndes, kammermusikalisch besetztes Werk von größter Dichte und Ökonomie gegenüber und erinnern damit zugleich an den großen französischen Komponisten und Dirigenten, von dem die Musikwelt im Januar 2016 Abschied nehmen musste.
© 2016 BBC / Berlin Phil Media GmbH
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