Andris Nelsons dirigiert klangmächtige Werke des 20. Jahrhunderts
Andris Nelsons präsentiert in diesem geistreichen Programm Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts, die kreativ und originell die Musik der Vergangenheit aufgegriffen haben. So reaktiviert Hans Pfitzners Palestrina-Vorspiel den Gregorianischen Choral, Heinrich Kaminskis Dorische Musik die Barockmusik und Richard Strauss’ Rosenkavalier den Wiener Walzer. Demgegenüber konsequent modern, dabei immer klangvoll, gibt sich Wolfgang Rihms Marsyas.
Für die Berliner Morgenpost war es ein »sensationelles Debüt«, als Andris Nelsons im Oktober 2010 erstmals mit den Berliner Philharmonikern konzertierte. Für seine Rückkehr stellte er ein ebenso volltönendes wie interessantes Programm zusammen. Es zeigt, dass die Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts sich nicht allein vom Glauben an Fortschritt und Moderne inspirieren ließen, sondern ebenso vom Blick in die Vergangenheit.
Hans Pfitzners Palestrina ist, wie das Thema der Oper nahelegt, von Anklängen an den Gregorianischen Choral durchsetzt und erhält – etwa im Vorspiel zum zweiten Akt – durch schmetternde Fanfaren einen markanten archaischen Anstrich. Im Zentrum der ersten Konzerthälfte steht die 1933 entstandene Dorische Musik von Heinrich Kaminski, die nur wenigen Musikfreunden bekannt sein dürfte. Kaminski, im Schwarzwald geboren und in Berlin ausgebildet, schafft hier ein atmosphärisches Werk, in dem barocke Grazie und spätromantischer Klangrausch eine glückliche Synthese eingehen.
Richard Strauss’ Rosenkavalier wiederum beschwört die Welt des Wiener Rokoko herauf, ohne sich der Musik dieser Zeit zu bedienen. Samtige Linien, originelle Akzente, hin und wieder ein Walzer-Zitat: Das sind die Zutaten der mal glanzvollen, mal ironischen Szenen der Oper. Als einziges Werk des Abends ist Wolfgang Rihms Marsyas von 1999 musikalisch ganz in seiner Zeit zu Hause – eine Verarbeitung eines antiken Mythos, die spannungsreich zwischen freiem Rhapsodieren und zugespitzter Dramatik changiert. In den Solopartien sind zwei Mitglieder der Berliner Philharmoniker zu erleben: Gábor Tarkövi, Solotrompeter seit 2005, und der Schlagzeuger Jan Schlichte, der dem Orchester seit 1998 angehört.
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