»Late Night«-Konzert mit Simon Rattle und Barbara Hannigan
Eine atemberaubende Stimme, Bühnenpräsenz und ein ausgeprägter Sinn für schrägen Humor: damit hat sich Barbara Hannigan dem Publikum der Berliner Philharmonie immer wieder empfohlen. Ihre Qualitäten kommen auch bei diesem Late Night-Konzert mit Simon Rattle zum Tragen, in dem sie unter anderem William Waltons experimentell-skurriles Façade interpretiert – und in dem Sir Simon in ungewohnter Rolle zu erleben ist.
Was für eine Musik, die uns Sir Simon Rattle, Barbara Hannigan und Mitglieder der Berliner Philharmoniker in dieser Late Night präsentieren: Frech, raffiniert, sexy, subversiv – ein bisschen Strawinsky, ein bisschen Weill. Und doch gänzlich »incomparable« und vor allem: very british! William Waltons 1923 aus der Taufe gehobenes »entertainment« Façade nach Texten seiner skandalumwitterten Förderin Edith Sitwell brachte dem Komponisten über Nacht den Ruf eines enfant terrible der modernen englischen Musik ein – und das durchaus zu Recht!
Eine derart unverfrorene Kombination akademischer, volkstümlicher, kabarettistischer und jazziger musikalischer Idiome hatte London bis dahin noch nicht erlebt! Und bis heute kommt man bei Aufführungen dieses viel zu selten gespielten Kabinettstückchens musikalischen Humors nicht aus dem Staunen heraus: Was für eine Musik, bei der unsere Füße zu zappeln beginnen, unsere Mundwinkel unwillkürlich nach oben gezogen werden und sich unsere Gehirnwindungen bei jedem Orientierungsversuch in einem Labyrinth bestens gelaunter Unterhaltung verlieren!
Nicht minder aberwitzig geht es bei Paul Hindemiths etwa zeitgleich entstandener Kammermusik Nr. 1 zu: Streichquartett, Sonatenhauptsatz und gepflegte Langeweile? Aber bitte nicht hier! Schließlich haben die Roaring Twenties vor Berlin nicht Halt gemacht, wohl aber auch einen Komponisten wie Hindemith in ihren Bann gezogen! Abgerundet wird das Programm dieser Late Night durch Hans Werner Henzes Kantate Being Beauteous auf ein Gedicht von Arthur Rimbaud. Die Besetzung des Werks (Koloratursopran, Harfe, vier Violoncelli) ist bereits spektakulär – und das, was Henze daraus macht, erst recht.
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