Georges Prêtre dirigiert »Eine französische Nacht« in der Waldbühne
Georges Prêtre war eine der beeindruckendsten Dirigentenpersönlichkeiten seiner Generation: ein herausragender Interpret des französischen Repertoires, zugleich ein Gentleman voller Charme und Temperament. Umso wertvoller ist dieser einzige Fernsehmitschnitt seiner Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern: ein Konzert aus der Berliner Waldbühne von 1992 mit französischen Preziosen, darunter Ravels Konzert für die linke Hand mit Leon Fleisher als Solist.
Seit Mitte der 1980er-Jahre verabschieden sich die Berliner Philharmoniker jedes Jahr mit einem Open-Air-Konzert in der Waldbühne in die Sommerpause. 1992 brachten sie in einer Französischen Nacht Meisterwerke von Berlioz, Bizet, Offenbach, Ravel und Debussy zu Gehör. Am Pult stand mit Georges Prêtre ein ausgewiesener Spezialist für die Musik seiner Landsleute, und in Ravels Konzert für die linke Hand glänzte der amerikanische Starpianist Leon Fleisher.
Zur Einstimmung erklang Berlioz’ Konzertouvertüre Le Carnaval romain, quasi eine Auskopplung aus seiner Oper Benvenuto Cellini, die in brillanten Orchesterfarben den ganzen Trubel des römischen Karnevals einfängt. Das folgende Konzert für die linke Hand schrieb Maurice Ravel 1929/30 im Auftrag des Pianisten Paul Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte. Einer der bedeutendsten Interpreten dieses Werks ist ohne Frage Leon Fleisher, der mit 36 Jahren aufgrund einer fokalen Dystonie die Kontrolle über seine rechte Hand verlor (und erst 30 Jahre später dank Botox-Injektionen zurückerlangte). »Ich war verzweifelt, aber zum Glück war es die linke Hand, die noch funktionierte, denn es gibt kaum Stücke für die rechte Hand allein. Für die linke Hand gibt es ungefähr 1000 Werke, und viele von ihnen sind ziemlich schlecht, aber Ravels Konzert für die linke Hand, das ich über 1000 Mal gespielt habe, ist ein absolutes Meisterwerk.«
Es folgten Ausschnitte aus Bizets Oper Carmen, die der einstige Lieblingsdirigent von Maria Callas 1964 auch mit der »Primadonna assoluta« eingespielt hat. Danach kam noch einmal Ravel zu Wort mit seinem Boléro, vom Komponisten selbst bezeichet als »ein Experiment in einer sehr speziellen und einmaligen Richtung. Das Stück besteht aus reinem Orchesterstoff ohne Musik – aus einem langen, ganz allmählichen Crescendo«. Dessen elektrisierende Wirkung kosteten die Berliner Philharmoniker bis ins Letzte aus. Offenbachs schwelgerische Barcarolle und die schwungvolle Farandole aus Bizets Arlésienne-Suite rundeten das reguläre Programm ab, bevor sich das Publikum mit Radetzky-Marsch und der unverzichtbaren Berliner Luft noch zwei Zugaben erklatschte.
© 1992 VIDEAL / brilliant media, SFB
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