Sir Simon Rattle dirigiert Mahler und Rachmaninow
Mahler war erst Mitte 20, als er seine Erste Symphonie komponierte. Umso überraschender die Souveränität, mit der er die klanglichen Mittel eines gewaltigen Orchesters nutzte. Dem Ausdruck von Frische und Aufbruch stehen in diesem Konzert mit Simon Rattle die Symphonischen Tänze Sergej Rachmaninows gegenüber – das letzte Werk des Komponisten, mit dem er im amerikanischen Exil noch einmal die Tonsprache seiner Heimat heraufbeschwor.
»Wie ein Vulkanausbruch« wirkt Gustav Mahlers Erste Symphonie auf Simon Rattle – ähnlich stellt sich der Dirigent auch den Charakter des jungen Komponisten vor: unberechenbar, temperamentvoll, exzentrisch. Wie selbstverständlich vereint Mahler in seinem monumentalen Gattungserstling scheinbar Unpassendes: Neben Naturpoesie wie Kuckucksrufen und spätromantisch-nostalgischen Motiven erklingen teils bis ins Groteske verfremdete Volksweisen. Die viersätzige Symphonie steht formal in der Traditionslinie Beethovens, Brahms’ und Bruckers – gleichzeitig deuten unkonventionelle Klänge eine moderne Tonsprache an, die Mahler in seinen späteren Symphonien vollends etablieren wird. Zentral für diesen Stil ist auch eine Mehrdeutigkeit im Ausdruck: Soll der träge dahintrottende, als Begräbnismarsch in Moll gekleidete Bruder Jakob-Kanon tatsächlich Trauer vermitteln – oder ist er reine Satire?
Die Kühnheit Mahlers wurde nach ersten Aufführungen der Symphonie kontrovers diskutiert. Einige, vor allem junge Musikinteressierte waren begeistert – auf viele im Publikum hatte die Symphonie, der Mahler zeitweise den Beinamen »Titan« verlieh, beunruhigende Wirkung. Doch Mahlers Zeit als Komponist sollte noch kommen – heute gehören seine Symphonien zum Kernrepertoires jedes großen Orchesters.
Nicht weniger vielschichtig sind die Symphonischen Tänze, die Sergej Rachmaninow knapp 70-jährig im amerikanischen Exil verfasste. Von Heimweh geplagt und künstlerisch entwurzelt befand der Komponist voller Nostalgie: »Ich fühle mich wie ein Geist, der in einer ihm fremd gewordenen Welt umherwandert.« Auf faszinierende Weise gelang es ihm, die alte und die neue Welt in den Symphonischen Tänzen – seinem letzten Orchesterwerk – zu verschmelzen: Melodien von spätromantischem Pathos treffen hier auf den pulsierenden Drive der amerikanischen Industrialisierung.
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