Simon Rattle dirigiert Beethovens Symphonien Nr. 6 und 8
So fremd sich Beethoven oft unter seinen Mitmenschen fühlte, so nahe war ihm die Natur. Seine schwärmerische Verbundenheit mit dem Landleben offenbarte er am eindrucksvollsten in den farbigen Naturszenen seiner Sechsten Symphonie. Weniger ausgeglichen gibt sich die humorige Achte, deren Finale auf Louis Spohr einen Eindruck machte, als ob einem jemand mitten im Gespräch die Zunge herausstreckte.
Dass für Beethoven, ebenso wie für die Dichter und Denker des »Sturm und Drang«, die Natur als symbolisches Gegenbild zur Zivilisation mit einem Zustand des inneren Friedens verbunden war, ist seiner Sinfonia pastorale deutlich anzumerken – schuf er mit dem berühmten Werk doch ein lichtes Landschaftsidyll von bukolischer Heiterkeit: Kein vorwärtsdrängender und zielgerichteter Impuls treibt die Musik hier an. Vielmehr wird das symphonische Geschehen von in sich bewegten Naturbildern bestimmt, von der »Ankunft auf dem Lande« über die »Szene am Bach«, das »Lustige Zusammensein der Landleute« bis hin zum stürmischen Gewitter.
Allerdings ging es Beethoven nicht um musikalische Illustrationen, worauf er in seiner bekannten Zeile »mehr Ausdruck der Empfindung als Malerey« hinwies. Denn obgleich es zum Sujet der Pastorale durchaus zeitgenössische Vorbilder gab – etwa die 1782/1783 entstandene Symphonie Le Portrait musical de la Nature des Stuttgarter Organisten, Dirigenten und Hofkapellmeisters Justin Heinrich Knecht –, verstand Beethoven das »Pastorale« hier als Symbol für eine höhere Weltenordnung, in die der Mensch harmonisch eingebunden ist.
Vor der Sechsten Symphonie dirigiert Sir Simon Rattle Beethovens Achte, deren Rezeption mit gutem Grund frühzeitig von Begriffen wie »Fröhlichkeit« und »Humor« bestimmt wurde: Das Allegretto Scherzando reflektiert laut der Überlieferung Anton Schindlers das Automatenwerk des Metronom-Erfinders Johann Nepomuk Mälzels, indem das Hauptthema auf den sogenannten Mälzel-Kanon WoO 162 zurückgehe, den Beethoven im Frühjahr 1812 bei einem geselligen Abschiedsessen auf die Worte »Ta ta ta ta … lieber Mälzel, leben Sie wohl, sehr wohl! Banner der Zeit, großer Metronom« komponiert habe. Und das Finale mit seinen schnell wechselnden Gedanken empfand Louis Spohr, als ob jemand einem mitten im Gespräch die Zunge herausstreckte, während Carl Dahlhaus von einer »humoristischen Demonstration der Unmöglichkeit einer Lösung« sprach. Constantin Floros nannte den Satz treffend »das wohl glänzendste Beispiel für die Kunst des Imprévu aus der Zeit vor Berlioz.«
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