Semyon Bychkov und Kirill Gerstein
Nur selten ist die russische Seele so eindrucksvoll in Musik gefasst worden wie in Sergej Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 – in seinem melancholischen Sinnieren, seinem Singen und Aufbegehren. In dieser Aufführung mit Semyon Bychkov gibt Pianist Kirill Gerstein sein Debüt bei den Berliner Philharmonikern. Eine ganz andere Haltung verbreitet Peter Tschaikowsky in seiner Dritten Symphonie, die von der Feststimmung und tänzerischen Brillanz seiner berühmten Ballette geprägt ist.
In einem Fiasko allererster Güte endete 1897 die Uraufführung von Sergej Rachmaninows Erster Symphonie. Ob es wirklich daran lag, dass der mit der musikalischen Leitung betraute Alexander Glasunow sein Lampenfieber im Wodka ertränkt hatte? Rachmaninow, der damals kurz vor seinem 24. Geburtstag stand, stand nicht der Sinn nach Schuldzuweisungen: Er nahm den Misserfolg auf seine Rechnung, zog das von einem Kritiker mit den zehn biblischen Plagen verglichene Werk zurück und beschloss, dem Komponieren zu entsagen. Die Folge war eine schwere Depression, zu deren Überwindung sich Rachmaninow schließlich in ärztliche Behandlung begeben musste. Dem Moskauer Neurologen Nikolai Dahl gelang es, Lebensmut und Schöpferkraft des Komponisten zu neuem Leben zu erwecken – laut Rachmaninow u. a. durch Hypnose.
Von seinen Selbstzweifeln geheilt, schrieb Rachmaninow das dem behandelnden Arzt gewidmete Zweite Klavierkonzert, hob es unter der Leitung von Alexander Siloti im Moskau des Jahres 1901 als Solist aus der Taufe – und landete einen Welterfolg. Den mit exorbitanten technischen Schwierigkeiten aufwartenden Solopart des Werks übernimmt in diesem Konzert der Berliner Philharmoniker der russische Pianist Kirill Gerstein. Am Dirigentenpult steht Gersteins Landsmann Semyon Bychkov, der mit der sinnlichen, wahrlich hypnotischen Kraft von Rachmaninows Musik ebenso vertraut ist wie mit der besonderen Schwermut, die Peter Tschaikowskys Kompositionen auszeichnet.
Gleich Rachmaninow haderte Tschaikowsky ein Leben lang an seinen Fähigkeiten. So schrieb der Komponist 1888 etwa: »Ich habe oft Zweifel an mir selbst und frage mich, ist nicht die Zeit gekommen aufzuhören, habe ich meine Erfindungskraft nicht überspannt?« Die inneren Kämpfe, die Tschaikowsky beim Komponieren auszufechten hatte, sind auch aus der Musik seiner Dritten, wegen ihres im Rhythmus einer Polonaise gehaltenen Finalsatzes Polnische genannten Symphonie heraushören.
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