Kirill Petrenko dirigiert Strawinsky, Zimmermann und Rachmaninow
Die Musik des 20. Jahrhunderts gilt oft als spröde. Wie falsch dieses Vorurteil ist, zeigt Kirill Petrenko mit drei zwischen 1940 und 1950 entstandenen Werken, die auf verschiedene Weise Klangsinnlichkeit und Energie verbreiten. Wir erleben die rhythmische Durchschlagskraft von Strawinskys Symphonie in drei Sätzen, die Verbindung von Innovation und brasilianischem Flair in Zimmermanns Alagoana und schließlich die schwelgerische Wehmut in Rachmaninows Symphonischen Tänzen.
In diesen vier Konzerten stellen die Berliner Philharmoniker unter der Leitung ihres neuen Chefdirigenten Kirill Petrenko drei Meisterwerke vor, die alle zwischen 1940 und 1950 komponiert sind und gänzlich unterschiedliche, nicht auf Arnold Schönbergs Zwölftontechnik basierende Wege der musikalischen Moderne beschreiten.
Igor Strawinskys Symphonie in drei Sätzen entstand 1945, nachdem der Komponist kurz zuvor die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte. Es ist ein Auftragswerk der Philharmonic Society of New York und wurde von den New Yorkern Philharmoniker unter Strawinskys musikalischer Leitung im Januar 1946 aus der Taufe gehoben. In einer für das Programmheft der Uraufführung verfassten Notiz erläuterte Strawinsky, dem durch eine transparente Satztechnik an die neoklassizistische Phase des Komponisten gemahnendem Werk liege »kein Programm zugrunde, es wäre vergeblich, ein solches […] zu suchen. Allerdings mag es sein, dass die Reaktion, die unsere schwierige Zeit mit ihren heftigen und wechselnden Ereignissen, ihrer Verzweiflung und Hoffnung, ihrer unausgesetzten Peinigung, ihrer Anspannung und schließlich Entspannung bei mir ausgelöst hat, seine Spuren in dieser Symphonie hinterlassen hat.«
Fünf Jahre später ließ sich Bernd Alois Zimmermann von südamerikanischen Mythen und brasilianischer Musik zu der fünfsätzigen Ballettmusik Alagoana inspirieren – nicht im Sinne einer folkloristischen Aneignung, sondern um auf diesem Weg sein kompositorisches Repertoire an Rhythmen, melodischen Erfindungen und orchestralen Klangfarben um neue Aspekte zu bereichern. Die expressive, nach einer Überarbeitung durch den Komponisten 1955 in Essen uraufgeführte Partitur erinnert an skandalträchtige Kompositionen der 1910er- und 1920er-Jahre, wie etwa Maurice Ravels Boléro oder Strawinskys Le Sacre du printemps und legt dennoch Zeugnis von Zimmermanns ureigenster musikalischer Handschrift ab.
Sergej Rachmaninows Symphonische Tänze – 1940 ebenfalls in den USA in Angriff genommen und im folgenden Jahr vom Philadelphia Orchestra unter Eugene Ormandy uraufgeführt – stellen als letztes Werk des Komponisten einerseits einen wehmütigen Abgesang auf die unwiderruflich zu Ende gegangene Epoche der musikalischen Spätromantik dar, andererseits sollten sie sich dank ihrer raffiniert gehandhabten formalen Strenge und lyrisch-expressiven Klanggebung aber als wegweisend für die Ästhetik all jener Komponisten folgender Generationen erweisen, die sich nicht dem Diktat eines unbedingten kompositorischen Fortschrittsglaubens unterwarfen.
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