Emmanuelle Haïm dirigiert ein frühes Händel-Oratorium
Emmanuelle Haïm haben wir schon mehrfach bei den Berliner Philharmonikern als überragende Interpretin der Musik Georg Friedrich Händels erlebt. Dieses Mal dirigiert sie sein frühes Oratorium Il trionfo del Tempo e del Disinganno – ein Werk der intensiven Emotion, delikaten Arien und opernhaften Ensemble-Szenen. Es handelt von einem jungen, vergnügungssüchtigen Menschen, der erkennen muss, wie vergänglich äußerliche Schönheit ist – ein zeitloser Stoff.
Georg Friedrich Händel war in der Barockzeit der Inbegriff eines europäischen Komponisten: Der in Halle geborene Musiker übernahm eine erste Anstellung in Hamburg und hielt sich danach vier Jahre in Italien auf, wo er seine musikalischen Kenntnisse vertiefte. Seine Wahlheimat fand Händel schließlich in London, wo er zunächst mit italienischen Opern und später mit englischsprachigen Oratorien Erfolge feierte. Emmanuelle Haïm dirigiert nach La resurrezione 2014 bei den Berliner Philharmonikern nun auch das zweite Oratorium aus der italienischen Schaffensphase Händels: Il trionfo del Tempo e del Disinganno (Der Triumph der Zeit und der Erkenntnis).
Das Oratorium dokumentiert den Disput zwischen Schönheit, Vergnügen, Zeit und Erkenntnis, die als allegorische Figuren persönlich auftreten. Auch wenn titelgemäß am Ende Zeit und Erkenntnis den Disput gewinnen, triumphiert musikalisch doch die pure – und zeitlose – Schönheit. So ist das Oratorium der Ursprungsort einer der ergreifendsten Melodien Händels: Die Arie »Lascia la spina« verwendete der Komponist später auch in anderen Werken, etwa – unter dem Titel »Lascia ch’io pianga« – in der Oper Rinaldo. Das Violin-Solo im herrlichen Schlussgesang der Schönheit spielte bei der ersten Aufführung 1707 vermutlich der berühmte Geigenvirtuose und Komponist Arcangelo Corelli. Bei einer Probe soll Händel, der auch im eigenen Leben zu theatralischen Auftritten neigte, dem Kollegen die Geige aus der Hand gerissen haben, um ihm seine stilistischen Vorstellungen zu demonstrieren.
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