Paavo Järvi und Seong-Jin Cho
Seong-Jin Cho, Artist in Residence 2024/25, gilt als Poet am Klavier, und hat nach eigener Aussage auch ein Faible für schwarzen Humor. Das zeigt nicht zuletzt das Werk, das er für dieses Programm ausgewählt hat: Schostakowitschs Konzert für Klavier und Trompete parodiert brillant das Genre des Klavierkonzerts. Im Kontrast dazu steht Anton Bruckners Erste Symphonie mit ihrer spirituellen Feierlichkeit. Mit einer Ouvertüre von Veljo Tormis stimmt Paavo Järvi auf den Abend ein.
»Nach dem Hören eines Musikwerkes möchte ich nicht der bleiben, der ich bislang war«, so Dmitri Schostakowitsch, »ich muss das Werk in mich aufnehmen, es durchleben, in ihm etwas für mich entdecken«. Wer sein Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester hört, durchlebt eine rasante emotionale Achterbahnfahrt: Schwelgerisch-nostalgische Themen werden im ersten Satz willkürlich von Militärmärschen und trivialen Music-Hall-Rhythmen unterbrochen. Geistreich zitierend bediente sich der 26-jährige Schostakowitsch für das »unverwechselbare und unzerstörbare Werk« (Robert Matthew-Walker) aus der Musikliteratur: Zu entdecken gibt es Melodien aus Werken von Beethoven, Mahler und Haydn ebenso wie Anklänge an englische und österreichische Volkslieder. Effektvolle Klaviervirtuosität und eine enorme Fülle musikalischer Einfälle münden in eine kurzweilige Gattungs-Persiflage, die gewitzt Hörerwartungen unterläuft.
Orchestermitglied Guillaume Jehl spielte den Solopart für Trompete bereits in einem Konzert, das während der Coronapandemie ausschließlich für die Digital Concert Hall produziert worden war. Seiner freundschaftlichen Verbindung zu Seong-Jin Cho entsprang die Idee, das Doppelkonzert im Rahmen von dessen Residency erneut aufzuführen.
Anton Bruckner war über 40, als er seine vor Spannkraft strotzende Erste (offiziell gezählte) Symphonie vollendete. Seine Anerkennung als Symphoniker würde trotz eines Achtungserfolges der Uraufführung 1868 noch knapp zwei Jahrzehnte auf sich warten lassen. Erst dann rückte seine Erste Symphonie wieder in den Fokus. Bruckner pflegte – meist unter Erfolgsdruck und den Ratschlägen seiner Freunde – die meisten seiner Symphonien nach deren Fertigstellung weiter zu bearbeiten. So entstand auch von der Ersten 1891 eine zweite Fassung. Paavo Järvi, langjähriger künstlerischer Partner der Berliner Philharmoniker, präsentiert das Werk in seiner gemeinhin als lebhafter empfundenen Originalversion. Zu Beginn des Programms steht eine aufbrausende Ouvertüre von Järvis Landsmann Veljo Tormis, der als einer der wichtigsten estnischen Komponisten des 20. Jahrhunderts gilt.
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