Janine Jansen spielt Tschaikowskys Violinkonzert
»Eine Art strahlende Bescheidenheit« attestierte die New York Times der Geigerin Janine Jansen, und tatsächlich: Selbst in Momenten größter Virtuosität bestechen ihre Interpretationen durch Innerlichkeit und Substanz. Diese Qualität kann sich gerade in Tschaikowskys Violinkonzert entfalten, das bei aller expressiven Rasanz immer von feinsinnigen Zwischentönen durchzogen ist. Zum Abschluss des Abends dirigiert Paavo Järvi die klangvoll-überschwängliche »Rheinische« Symphonie von Robert Schumann.
Der für seine mitreißenden Interpretationen gefeierte Dirigent Paavo Järvi und die charismatische, durch makelloses technisches Rüstzeug, eine überlegene Klangkultur und höchste musikalische Sensibilität überzeugende Geigerin Janine Jansen nehmen sich in diesen Konzerten zweier Kompositionen an, die sich in der Akzeptanz durch die Öffentlichkeit zunächst stark unterschieden.
Peter Tschaikowskys Violinkonzert, das nach einer Zeit einschneidender persönlicher Krisen des Komponisten entstanden ist, sei »unviolinistisch«, befand einst Leopold Auer, der Widmungsträger des Werks – und überließ es daher einem Kollegen, Tschaikowskys einzigen Beitrag zur Gattung des Violinkonzerts am 4. Dezember 1881 in Wien aus der Taufe zu heben. In den Feuilletons war über dieses denkwürdige Ereignis seinerzeit kaum etwas Gutes zu lesen. Der Wiener Eduard Hanslick konfrontierte seine Leser sogar mit der despektierlichen Frage, ob es wohl »Musikstücke geben könnte, die man stinken hört«. Es sollten noch Jahre ins Land gehen bis Tschaikowskys klassischen Formprinzipien folgendes Violinkonzert, das enorme spieltechnische Anforderungen in den Dienst nie zuvor gehörter Ausdrucksbereiche stellt, von Publikum und Presse als epochaler Markstein der Gattungsgeschichte anerkannt wurde.
Anders erging es der Dritten Symphonie von Robert Schumann: Als sie am 6. Februar 1851 in Düsseldorf unter der Leitung des Komponisten zum ersten Mal aufgeführt wurde, zeigten sich Presse und Publikum auf Anhieb begeistert. Kritik an dem innerhalb nur eines Monats entstandenen Werk wurde damals von eher unerwarteter Seite laut: So schrieb Schumanns Gattin Clara über den Finalsatz, er sei »derjenige, welcher mir noch am wenigsten klar ist; er ist äußerst kunstvoll, das höre ich, doch kann ich nicht so recht folgen«. In eine ähnliche Kerbe schlug später ausgerechnet Tschaikowsky, als er Schumanns Komposition bescheinigte, dass in ihr trotz »ungeschwächter Kraft des Inhalts äußere Formmängel immer bemerkbarer« zu Tage träten. Letzten Endes ließen sich aber weder Schumann, der mit der Dritten Symphonie bei den Zuhörern nach eigener Aussage »freundlichere Stimmungen« erwecken wollte, noch sein Publikum von diesen Kritteleien entmutigen. Heute gilt das Werk, das in fünf Sätzen gänzlich divergente Ausdruckswerte auslotet, dank subtiler motivischer Querverbindungen aber dennoch eine bezwingende Einheit darstellt, zu Recht als eine von Schumanns symphonischen Glanzleistungen.
An den Beginn des Programms hat Paavo Järvi Tapiola von Jean Sibelius gestellt. Die von finnischen Natursagen inspirierte Tondichtung war ein Auftragswerk des amerikanischen Dirigenten Walter Damrosch, der das Werk 1926 in New York zur Uraufführung brachte. Es sollte Sibeliusʼ letzte Komposition für Orchester bleiben. Leevi Madetoja, einer der Schüler von Sibelius, beschrieb seine Eindrücke zu Tapiola: »Zuweilen hört man das wehmütige, sich immer wieder wiederholende Munkeln des Waldgeistes, zuweilen tanzen die Wichtelmännchen hitzig, zuweilen wiederum schreit ein einsamer Wanderer in der Einöde seinen Lebensschmerz gegen Himmel. Ein schönes Werk, technisch der Symphonie Nr. 7 nahe.«
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