Philharmonische Kammermusik: Korngold, Rihm und Bruckner
Das Streichquintett F-Dur ist das einzige große kammermusikalische Werk Bruckners, dessen 200. Geburtstag 2024 gefeiert wurde. Das Philharmonische Streichquartett und Amihai Grosz, Solobratscher der Berliner Philharmoniker, stellen es vor. Zur Eröffnung des Abends erklingt das von wienerischem Lebensgefühl durchzogene Zweite Streichquartett Korngolds und das feingesponnene Grave von Composer in Residence Wolfgang Rihm.
Anton Bruckner ist einer der wenigen großen Symphoniker der deutsch-österreichischen Tradition, für den die Kammermusik keine zentrale Rolle spielte. Dass er mit seinem Streichquintett doch noch einen bedeutenden Beitrag zum Genre komponierte, ist wahrscheinlich dem Geiger Joseph Hellmesberger zu verdanken – er hatte sich von Bruckner ein Werk für sein eigenes Quartett gewünscht. Der Reichtum an harmonischen Entwicklungen, ein großer, trotz unvermittelter Abbrüche spürbarer Spannungsbogen und die leuchtende Kantabilität des langsamen Satzes verbinden das Quintett mit den monumentalen Symphonien. Dennoch zeigt sich in der intimen Klanglichkeit und der delikaten motivischen Arbeit noch ein anderer Bruckner.
Das insgesamt positive Echo auf das Werk wurde – für den Komponisten inzwischen traurige Gewohnheit – durch eine missgünstige Rezension von Eduard Hanslick getrübt. Hanslicks Nachfolger als einflussreichster Musikkritiker Wiens war der nicht weniger gefürchtete Julius Korngold, Vater des als Wunderkind gefeierten Erich Wolfgang Korngold. Dessen 1933 entstandenes Zweites Streichquartett ist von Raffinesse und Eingängigkeit gekennzeichnet. Von anrührender Schwermut ist das Larghetto, federleicht-witzig der dritte Satz. Das Finale ist ein geradezu entfesselter Wiener Walzer – vielleicht ein Abschiedsgruß Korngolds an Österreich. Der vom Faschismus verfolgte jüdische Komponist reiste kurz nach Vollendung des Quartetts nach Amerika, wo ihm eine weitere erfolgreiche Karriere als Filmmusikkomponist gelingen sollte.
Gewichtig wie die langsamen Sätze von Bruckner und Korngold ist auch Wolfgang Rihms Grave – die italienische Vortragsbezeichnung für »ernst, feierlich«. Rihm schrieb das Stück als eine Art Requiem für den 2005 verstorbenen Bratscher Thomas Kakuska, langjähriges Mitglied des mit dem Komponisten eng verbundenen Alban Berg Quartetts.
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