Ein russischer Abend mit Gustavo Dudamel und Viktoria Mullova
Er sei ein »Feuerkopf« – allerdings einer von »tiefem musikalischen Verständnis und tadellosem dirigentischen Handwerk«. So schrieb die Presse über Gustavo Dudamel, als dieser hier zum ersten Mal die Berliner Philharmoniker in der Philharmonie dirigierte. Spannend auch das facettenreiche russische Programm mit Prokofjews Fünfter Symphonie, Rachmaninows Toteninsel und Strawinskys Violinkonzert mit Viktoria Mullova als Solistin.
Die drei Komponisten dieses Konzerts der Berliner Philharmoniker vom März 2009 repräsentieren die stilistische Vielfältigkeit der russischen Musik im 20. Jahrhundert. Zugleich zeigen ihre Lebensläufe den Einfluss zeitgeschichtlicher Ereignisse. Sergej Rachmaninow musste sich zwar 1918 für immer von seinem Heimatland trennen, blieb aber seinem unverwechselbar spätromantischen, von tiefer Liebe zu russischer Kultur und Musik geprägten Idiom zeitlebens treu. Dieses prägt bereits seine schwelgerisch-düstere, im ungewöhnlichen 5/8el- Takt notierte Tondichtung Die Toteninsel von 1909, zu der sich der Komponist von Arnold Böcklins gleichnamigem Gemälde inspirieren ließ. Sergej Prokofjew hatte seine Karriere als genialer Bürgerschreck begonnen, lebte nach der Oktoberrevolution jahrelang in Amerika und Westeuropa, um dann ausgerechnet zur Zeit des schlimmsten stalinistischen Terrors in die Sowjetunion zurückzukehren. Seine klangmächtige, etwa im langsamen Satz aber auch lyrisch-romantische Fünfte Symphonie war schon in der Stalinzeit ein großer Erfolg, hat aber das damals herrschende fragwürdige Stilideal des »sozialistischen Realismus’« mühelos überlebt und gilt heute neben der Symphonie classique als gelungenster Gattungsbeitrag des Komponisten.
Igor Strawinsky schließlich entschied sich wie Rachmaninow für ein dauerhaftes Exil, nur einmal ist er für eine Reihe von Konzertauftritten 1962 in die russische Heimat zurückgekehrt. Sein einziges Violinkonzert, dessen Uraufführung der Komponist selbst 1931 in Berlin dirigierte, wird allgemein seiner neoklassischen Schaffensphase zugerechnet. Auffällig ist der Rückgriff auf barocke Stilmerkmale sowie ein viertöniger Akkord der Solovioline, der zu Beginn aller vier Sätze erklingt. »Virtuosität um ihrer selbst willen spielt in meinem Konzert keine große Rolle“, erklärte Strawinsky. Den gleichwohl immensen Anforderungen des Soloparts begegnet die Geigerin Viktoria Mullova mit souveränem Überblick und glasklarer Artikulation. Nachdem der venezolanische Dirigent Gustavo Dudamel beim Walbühnenkonzert 2008 sein erfolgreiches Debüt bei den Berliner Philharmonikern gefeiert hatte, überzeugte er bei seinem zweiten Auftritt mit dem Orchester durch Leidenschaft und Präzision.
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