Susanna Mälkki und Gil Shaham
Souverän bewegen sich die Werke dieses Abends mit Susanna Mälkki zwischen Vergangenheit und Zukunft. So steht Béla Bartóks Zweites Violinkonzert – Solist: Gil Shaham – in der Tradition von Beethoven und Brahms, experimentiert aber auch mit der Zwölftontechnik. Jean Sibelius’ Zweite Symphonie dagegen mischt Tschaikowsky-Anklänge mit innovativer Formgebung, während Ferruccio Busonis Tanz-Walzer schönste Kaffeehaus-Atmosphäre verbreitet.
Ferruccio Busoni und die Berliner Philharmoniker verband eine langjährige künstlerische Partnerschaft: Nachdem der Deutsch-Italiener am 11. Februar 1891 mit Beethovens Fünftem Klavierkonzert bei dem Orchester debütiert hatte, war er regelmäßig in den Konzertprogrammen vertreten. Sieben Jahre lang organisierte der Komponist, Dirigent und Pianist mit den Philharmonikern eine Konzertreihe, in der ausschließlich neue Musik und Repertoirespezialitäten zu hören waren: »Die Componisten«, hieß es in einer Ankündigung der Signale für die musikalische Welt, »werden, soweit es angeht, ihre Werke selbst dirigieren und nur da, wo dies unmöglich ist, gedenkt Busoni die Leitung selbst zu übernehmen.« Edward Elgars The Dream of Gerontius bildete am 8. November 1902 den Auftakt der ambitionierten Reihe, die bis 1909 Treffpunkt der zeitgenössischen Avantgarde blieb. Natürlich präsentierte Busoni dem Berliner Publikum auch eigene Werke, die auch nach Auslaufen seiner philharmonischen Neue-Musik-Reihe im Musikleben der Hauptstadt regelmäßig vertreten waren: Die Berliner Philharmoniker übernahmen etwa am 13. Januar 1921 die Premiere seines Tanz-Walzers op. 53.
Mit diesem Werk, das »durch Walzerklänge« inspiriert wurde, »die aus dem Innern eines Kaffeehauses drangen« (Busoni), leitet Susanna Mälkki ihr Gastspiel am Pult der Berliner Philharmoniker ein. Anschließend widmet sich die finnische Dirigentin, die gemeinhin als Spezialistin für zeitgenössische Musik gilt, Béla Bartóks Zweitem Violinkonzert, dessen Kopfsatzhauptthema von Kantabilität und weitgeschwungener Melodik geprägt ist. Das kontrastierende Seitenthema beruht auf einer Zwölftonreihe, die allerdings (ähnlich wie im Violinkonzert von Alban Berg) deutliche tonale Züge aufweist. Solist ist kein Geringerer als Gil Shaham, der immer wieder mit Größen wie Menuhin, Heifetz und Perlman verglichen wurde und zu den erklärten Bewunderern von Bartóks Musik zählt: »Die Musik ist voller Kraft, aber auch empfindsam, sie ist ernst und voller Humor, revolutionär und klassisch. [...] Ob er Volksmelodien adaptiert oder in der Zwölftontechnik komponiert, Bartóks Stil und Kunstverstand begeistern mich immer wieder.«
Symphonisches Hauptwerk des Abends ist Jean Sibelius’ Zweite Symphonie, über die schon Karl Flodin, der führende finnische Musikkritiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts, begeistert schrieb: »[...] je häufiger man dieses geniale Werk hört, desto gewaltiger gehen einem seine Konturen auf, desto tiefer erscheint einem sein seelischer Gehalt und desto prägnanter werden die Anhaltspunkte, die sich für das rechte Verständnis der Komposition bieten.«
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