Kirill Petrenko dirigiert Zimmermann, Lutosławski und Brahms
Wer die Tradition der Symphonie fortschreiben will, braucht Selbstbewusstsein und Kreativität. Hier präsentiert Kirill Petrenko zwei Komponisten, die sich auf dieses Wagnis einließen: Von Witold Lutosławski erklingt die herrlich virtuose Symphonie Nr. 1, von Johannes Brahms die doppelgesichtige Zweite Symphonie, die er selbst als »liebliches Ungeheuer« bezeichnete. Bernd Alois Zimmermanns Klangflächenkomposition Photoptosis eröffnet den Abend.
Während der Entstehungsprozess von Brahms’ Erster Symphonie 14 Jahre in Anspruch genommen hatte, folgte die Uraufführung seiner Zweiten nur 13 Monate später. Zeitgenossen wie der einflussreiche Kritiker Eduard Hanslick betonten die Zugänglichkeit des neuen Werks: Müsse man das Gattungsdebüt des Komponisten wegen seiner komplexen Polyphonie »gleichsam mit der Lupe« hören, so habe Brahms mit der Zweiten ein Stück für »Kenner und Laien« und alle, »die sich nach guter Musik sehnen«, vorgelegt. Die oft erfolgte Zuschreibung eines heiteren und optimistischen Charakters, der allerdings nicht vor melancholischen Eintrübungen und dramatischen Zuspitzungen sicher ist, verdankt sich besonders der pastoralen Eingangsmelodie, dem zauberhaften Ländler-Thema des dritten Satzes und dem jubelnden Schluss des Finales.
Mit Bernd Alois Zimmermanns Studie Photoptosis, deren griechischer Titel »Lichteinfall« bedeutet, beginnt das Konzert. Die dicht instrumentierte, über einem unveränderten rhythmischen Puls ablaufende Komposition beleuchtet im Mittelteil eine Reihe von Zitaten, zu denen Passagen aus Beethovens Neunter und Skrjabins Le Poème de l’extase gehören – zwei Werke, die Kirill Petrenko bereits erfolgreich mit den Philharmonikern aufgeführt hat.
Als einzige der vier Symphonien Witold Lutosławskis folgt seine Erste dem klassischen Modell mit vier Sätzen, die auch in ihren Charakteren (schnell-langsam-Scherzo-schnell) dem traditionellen Vorbild entsprechen. Die Philharmoniker interpretierten das ungemein virtuose und effektvolle, von Lutosławski als »strahlend« und »fröhlich« bezeichnete Werk zuletzt im März 1981. Am Dirigentenpult stand damals der Komponist selbst.
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