Kirill Petrenko mit Rachmaninows »Francesca da Rimini«
Hass, Eifersucht und Verlust: Mit kraftvollen Farben erschafft Sergej Rachmaninow in seinem Einakter Francesca da Rimini eine düstere Welt. Umso stärker erstrahlt vor diesem Hintergrund das kurze Liebesglück der Titelheldin. Chefdirigent Kirill Petrenko präsentiert die leidenschaftliche Partitur in einer konzertanten Aufführung. Das Konzert beginnt mit Samuel Barbers melancholischem Adagio for Strings und Sofia Gubaidulinas Der Zorn Gottes, einem Werk von geradezu apokalyptischer Dramatik.
Der Titel von Sofia Gubaidulinas Der Zorn Gottes – entstanden zum Beethoven-Jubiläum 2020 – ist wörtlich zu verstehen: Erbarmungslos geht Gottes Zorn in voller Klangwucht auf die Menschen nieder. Grund ist der »Anstieg des Hasses«, so die Komponistin, »ich erkenne das an der Weltlage, an einer allgemeinen Überanspannung der Zivilisation«. Ihr Werk antwortet zugleich auf die von Beethoven in seinem Streichquartett Nr. 16 aufgeworfene Frage »Muss es sein?« mit einem deutlichen: Nein, dieser wahnhafte Hass, er muss nicht sein.
Sergej Rachmaninow gilt außerhalb seiner russischen Heimat vor allem als Komponist von Klavier- und Orchesterwerken. Dabei hat er ein umfangreiches vokalmusikalisches Schaffen hinterlassen, zu dem auch drei kurze Opern gehören. Mit dem Musiktheater hatte Rachmaninow als Dirigent einer Moskauer Privatoper und ab 1904 als Kapellmeister des Bolschoi-Theaters Erfahrungen gesammelt. An diesem berühmten Haus wurden 1906 an einem Abend die beiden Einakter Der geizige Ritter nach Puschkin und die hier von Kirill Petrenko konzertant präsentierte Francesca da Rimini uraufgeführt.
Die Vorlage für das Werk stammt aus Dantes Göttlicher Komödie. Der Dichter begegnet an der Seite seines Kollegen Vergil in der Hölle dem Liebespaar Francesca und Paolo. Lanciotto Malatesta, Ehemann Francescas und Bruder Paolos, hatte beide in flagranti ertappt und erstochen. Zu der von einem Prolog und einem Epilog eingerahmten Handlung komponierte Rachmaninow eine Musik, die durch abgetönte Instrumentalfarben, textlose Gesänge des Chors und die leidenschaftliche Intensität der Liebesszene eine einzigartige Stimmung der Ausweglosigkeit hervorruft. Der mehrfach wiederholte Dante-Vers »Es gibt kein größeres Leid, als sich im Unglück an glückliche Zeiten zu erinnern« könnte wie ein Motto über Rachmaninows Musik stehen: Sie gewinnt einen erheblichen Teil ihrer Schönheit aus dem wehmütigen Blick zurück auf die Epoche der Romantik.
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